Am 7. Mai hatte die EU eine High-Level-Konferenz zur Corporate Sustainability Directive (CSRD) anberaumt. Zu den Diskutanten gehörten auch Vertreter der International Financial Reporting Standards Foundation (IFRS), die aktuell ebenfalls an Standards arbeitet. Es wurde deutlich, dass die EU einen eigenen Weg beschreitet, auch wenn sie international anerkannte Standards einbeziehen will. Olivia Gregoire, Staatssekretärin der französischen Regierung, betonte, dass internationale Standards als Basis gelten, aber nicht als Begrenzung. Zusammen mit weiteren Referenten machte sie deutlich, wie wichtig die doppelte Materialität für die Sichtweise der EU ist. Schließlich steht diese für eine Abkehr von der ausschließlichen Berücksichtigung der Interessen von Finanzinvestoren – wie mehrfach betont wurde. Dennoch geht man auch auf EU-Seite davon aus, dass die geplante Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht vor allem an Finanzinstitute und Investoren gerichtet sein wird.
Ambitionierter Zeitplan
Am 11. Mai 2021 diskutierten dann Wissenschaft, Unternehmens- und Bankenvertreter auf Einladung des Deutschen Global Compact Netzwerks, was von dem Vorschlag der EU-Kommission zur Überarbeitung der CSR-Berichtspflicht zu halten ist. Prof. Dr. Patrick Velte von der Leuphana stellte den Entwurf der neuen „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) vor, die mit Sustainable Finance (Taxonomie und Offenlegungspflicht) sowie den noch geplanten EU-Regulierungen zu Sustainable Corporate Governance (z.B. Lieferkette) eng verknüpft ist. Er wies auf den erweiterten Anwenderkreis hin (alle Kapitalgesellschaften mit mehr als 250 Beschäftigten) und die Prüfpflicht. Velte bewertet den Entwurf insgesamt positiv, den Zeitplan aber als sehr ambitioniert. An vielen Stellen gelte es nun, Nachhaltigkeits-Know-how aufzubauen, so etwa in den Prüfungsausschüssen der Aufsichtsräte, bei den Vorständen und auch bei der BAFIN.
Rolle der Banken
Auf die Herausforderungen für Finanzinstitute ging Sabrina Nickel von der DZ BANK ein. Da Banken der EU-Taxonomie unterliegen, müssen sie künftig zeigen, wie ihre Kreditvergabeaktivitäten demgemäß zu bewerten sind. Dafür brauchen sie die Informationen der Unternehmen. Neben der Erweiterung der Finanzprodukte um Nachhaltigkeitsaspekte (z.B. ESG-linked loans) rechnet Nickel auch damit, dass Banken ihren Kunden künftig Beratung anbieten, um sie zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell zu begleiten. Denn ausschließen werde man insbesondere Bestandskunden nicht, wenn sie noch nicht nachhaltig sind. Klar ist aber, dass die Finanzierung von Unternehmen umso einfacher und günstiger werden wird, je nachhaltiger das Geschäftsmodell ist.
Organisationsaufbau für Integration
Stefan Schnell von der BASF AG, die seit vielen Jahren integriert berichtet (eine zentrale Anforderung des neuen Richtlinienentwurfs), empfiehlt Unternehmen, mit einer Wesentlichkeitsanalyse zu starten. Dass die EU noch keine Inhalte vorgibt (das entsprechende Rahmenwerk wird erst im Oktober 2022 erwartet), müsse nicht daran hindern, nun rasch mit dem Reporting zu beginnen. Man solle sich an den global anerkannten Standards (GRI, SASB und TCFD) orientieren. Wichtig für die Unternehmen sei eine Aufbau- und Ablauforganisation, die es erlaubt, Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verschränken und zu organisieren. Auf jeden Fall müssten die Finanz- und die Nachhaltigkeits-abteilungen nun eng miteinander zusammenarbeiten. Bei BASF habe man gute Erfahrungen mit einem „Sustainable Finance Roundtable“ gemacht.
Herausforderung Datenqualität
Ganz sicher wird das Thema Datenqualität eine große Herausforderung. Nicht nur technisch, sondern vor allem organisatorisch. Denn es gilt dann, unternehmensübergreifend und global zu definieren, wer für die Qualität bestimmter Daten zuständig ist. Selbst in großen oder reportingerfahrenen Unternehmen besteht im Bereich Nachhaltigkeit bis heute ein Flickenteppich an Excelformularen, Datenerfassungstools und Softwarelösungen. Angesichts der Prüfung wird die reibungslose Datenerfassung mit automatisierter Freigabe zur zentralen Aufgabe, ebenso die nutzerorientierte Aufbereitung und Darstellung, beispielsweise als Dashboard zur Steuerung. Hier müssen die IT-Unternehmen aber mit praktikablen Lösungen noch nachlegen.
Fazit
Die neue Richtlinie wird mehr Vergleichbarkeit schaffen, geht es der EU doch um Impact. Dafür werden Standards sorgen, die sich an den globalen Rahmenwerken orientieren. Womöglich bedarf es dann auch keiner Wesentlichkeitsanalyse mehr, die Vergleichbarkeit ja immer einschränkt. Mit dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (relevant für Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft und auf den Geschäftsverlauf), die der Richtlinienentwurf propagiert, sind wir ohnehin in Richtung eines sehr umfassenden Nachhaltigkeitsverständnisses unterwegs.
Vielfach, das wurde in der Diskussion deutlich, besteht im Bereich Nachhaltigkeit eine Vielzahl von Datenerfassungslösungen. Angesichts der Prüfung wird die Qualität der Daten noch eine große Herausforderung, wie auch die nutzerorientierte Aufbereitung und Darstellung zur Steuerung. Hier müssen die IT-Unternehmen noch nachlegen, allen voran die großen ERP-Anbieter.
Interessant wird die Entwicklung der Formate sein. Denn mit der zwingenden Integration der (umfangreichen) Nachhaltigkeitsinformationen in den Lagebericht und der obligatorischen Prüfung der Inhalte wird es zu einem stark formalisierten Reporting kommen. Das ist nicht schlecht. Im Gegenteil: Nachhaltigkeit findet damit endlich Eingang in die Unternehmenssteuerung. Die Kommunikation gegenüber den verschiedenen Stakeholdern wie Nachwuchs, Kund:innen und Mitarbeiter:innen wird aber künftig andere Wege finden müssen. Das ist auch gut so. Unternehmen müssen dann nämlich wirklich wissen wollen, was ihre Stakeholder interessiert und eine entsprechend differenzierte Ansprache aufbauen.
Foto: Scott Webb | Pexels