Die Wohnungsnot in den Städten hat die Wohnungsfrage auf der Agenda politischen Handelns und öffentlicher Diskussionen wieder ganz nach oben gerückt. Ob es gelingen wird, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und zugleich noch den Energieverbrauch im Gebäudesektor drastisch zu senken, ist zu einem Prüfstein für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft geworden. Zu den Herausforderungen und den Handlungsmöglichkeiten der Politik sprachen wir mit Bernhard Daldrup, Mitglied des deutschen Bundestags und Sprecher der Arbeitsgruppe für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion.
Herr Daldrup, bezahlbares Wohnen ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Wo sehen Sie die größten Hebel der Politik, um bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen zu fördern?
Zunächst ist klar: Es gibt nicht die eine Lösung. Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen für mehr Wohnungsneubau und der Sicherung von bezahlbarem Wohnen im Bestand. Die Förderung des Neubaus muss sich dabei auf alle Bereiche beziehen: den Mietwohnungsbau, den sozial geförderten Wohnungsbau und die Eigentumsförderung. Auf dem Wohngipfel wurden wichtige Maßnahmen verabredet, die wir im Parlament mit Tempo umsetzen. Das wird einen deutlichen Schub bringen. Mit weiteren Maßnahmen flankieren wir die bisherigen Anstrengungen, um vor allem Menschen mit geringen Einkommen zu schützen: durch Einschränkungen der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, einem mieterfreundlichen Mietspiegel und einer Reform des Wohngeldes. Weiterhin müssen wir die Baukosten senken. Hierbei spielt die Verschlankung und die bessere Abstimmung der Vielzahl an verschiedenen Bauordnungen eine große Rolle.
Das Thema Boden-Spekulation setzen wir ebenfalls auf die Tagesordnung. Der Umgang mit dem Boden und die Mobilisierung von Bauland sind wichtige Schlüssel für die Lösung der Wohnungsfrage. Bauland ist neben hohen Baukosten und begrenzten Baukapazitäten ein wesentlicher Engpass und Kostenfaktor bei der Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Unsere Vorschläge dazu werden wir im Sommer vorlegen.
Private Wohnungsunternehmen stehen aktuell in der Kritik, die Mieten in die Höhe zu treiben, um ihre Gewinne zu maximieren. Kann die Politik gegensteuern?
Ich halte nichts davon, irgendjemanden den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir müssen jetzt weiter daran arbeiten, mehr Wohnraum zu schaffen. Eins ist sicher, der Markt allein wird es nicht richten. Daher brauchen wir mehr Verantwortung in den Händen von Bund, Ländern und Kommunen. Ein Weg ist, dass der Staat wieder selber baut. Zum Beispiel durch kommunale Wohnungsbauunternehmen. Wenn die Konzerne nicht länger Sündenbock sein wollen, müssen sie aktiver werden. Ich spreche hier von einem New Deal zwischen der öffentlichen Hand und Immobilieneigentümern. Dieser Deal kann zum Beispiel beinhalten, dass private Unternehmen, die sich zu bestimmten solidarischen Kriterien verpflichten, etwa Steuervorteile erhalten oder bei der Vergabe von öffentlichen Grundstücken bevorzugt behandelt werden. Dieser Deal braucht auch Fairness-Regeln zwischen Eigentümern und Mietern. Ich denke, wer im Interesse der Mieterinnen und Mieter baut und nicht ausschließlich für den eigenen Profit, soll vom Staat in besonderer Weise unterstützt werden. Das Miteinander muss sich auszahlen.
Gebäude sind für rund zehn Prozent der bundesweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Brauchen wir ein Klimaschutzgesetz, das klare Reduktionsziele vorgibt?
Ziel ist es, einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 zu erreichen. Das ist eines der ambitioniertesten Vorhaben. Daher braucht es verbindliche Ziele, um auch Verantwortlichkeiten klar zu regeln.
Sind die Aspekte ‚bezahlbarer Wohnraum‘ und ‚klimaneutrale Gebäude‘ miteinander vereinbar? Welche Ansätze sehen Sie dafür?
Die Aspekte soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehören untrennbar zusammen. Alle drei stehen gleichrangig nebeneinander und müssen beachtet werden. Wir stehen vor der Herausforderung, dass jahrzehntelang der Flächenbedarf beim Wohnen gestiegen ist. Das ist nichts Schlechtes, aber wir müssen darauf reagieren. Wir müssen Strategien entwickeln, um die Flächenneuinanspruchnahme zu vermindern. Eine weitere Überlegung ist, wie man mit anderen Grundrissen mehr Grundfläche zum Wohnen erreichen kann. Das Aufstocken von Gewerbeimmobilien, wie z.B. Supermärkte, kann ebenfalls eine Lösung sein.
Interviewpartner Bernhard Daldrup, Mitglied des deutschen Bundestags und
Sprecher der Arbeitsgruppe für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion
Das vollständige Interview und weitere Informationen zur Renaissance der Regulierung und nachhaltigkeitsrelevanten Entwicklungen in Berlin und Brüssel finden Sie im aktuellen Politikmonitor.