„Wir wollen Potentiale heben“

Interview mit Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Über die Pläne der neuen Bundesregierung zur Digitalisierung und wie sie einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten kann, sprachen wir mit Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Deutschland zählt bei der Digitalisierung im Vergleich der Industrieländer eher zu den Nachzüglern. Wie wollen Sie den Rückstand aufholen?

Als Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wollen wir uns auf zentrale Handlungsfelder konzentrieren: digitale Transformation der Wirtschaft, Daten und Datenökonomie, digitale Souveränität und natürlich Nachhaltigkeit. Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und Deutschland insbesondere zum führenden Start-up-Standort in Europa machen. Wir werden die Grundlagen für einen einfachen und massenhaften Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Deutschland legen. Hier spielt GAIA-X eine wichtige Rolle. Daneben liegt mir das Thema „Nachhaltigkeit“ besonders am Herzen. Hier wollen wir die Potenziale der Digitalisierung für den Ressourcenschutz stärker nutzen. Drei konkrete Beispiele, wo wir bereits aktiv sind: Mit der Initiative Stadt.Land.Digital unterstützen wir Kommunen vor Ort bei der Entwicklung zu einer Smart City. Mit dem Digitalen Produktpass engagieren wir uns für die Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Und wir haben ein Projekt für energieeffiziente Software ins Leben gerufen, das u.a. die Open-Source-Community und energieeffiziente KI einbindet.

Wo sehen Sie die größten Chancen der Digitalisierung, einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit in Deutschland zu leisten?
@ Susanne Eriksson

Eine aktuelle Studie zu Klimaeffekten der Digitalisierung kommt zu dem Ergebnis, dass wir mit digitalen Technologien zwischen 103 und 152 Megatonnen CO2 bis 2030 einsparen können. Voraussetzung dafür ist, dass wir digitale Technologien erfolgreich einsetzen —und sie selbst klimaschonend betreiben. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Energieeffizienz von Rechenzentren zu steigern. Beispielsweise kann die Abwärme der Rechenzentren direkt genutzt werden, statt sie kostspielig abzukühlen. Ein zweiter Weg sind effizientere Rechenzentren, deswegen arbeiten wir an einer europäischen Cloud-Edge-Infrastruktur — das heißt, dass die Daten zentral gespeichert werden, z.B. in Rechenzentren, und trotzdem eine dezentrale Datenverarbeitung bei den Nutzer:innen stattfinden kann. Mit dem gemeinsamen europäischen Projekt IPCEI Next Generation Cloud Infrastructure and Services und GAIA-X schaffen wir dafür die materiellen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Ziel ist die gemeinsame Nutzung von Daten im großen Stil, damit industrielle Anwender das volle Potenzial der Digitalisierung nutzen können und gleichzeitig Ressourcen effizienter eingesetzt werden.

Mehr Digitalisierung bietet das Potenzial für zukunftsorientierte Arbeitsplätze. Gleichzeitig kosten Konzepte wie „Industrie 4.0“ auch Arbeitsplätze in der Industrie. Wie kann Digitalisierung zu einem wirtschaftlichen Gewinn für alle werden?

Der zunehmende Fachkräftemangel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Die Digitalisierung bietet viele Chancen, unbesetzte Stellen teilweise durch digitale Technologien zu ersetzen. Zudem steigern digitale Technologien unsere Produktivität, wodurch wir Ressourcen für andere Aufgaben gewinnen. Genauso wichtig ist der folgende Aspekt: Die Digitalisierung eröffnet ganz neue Geschäftsmodelle, von denen wir alle profitieren werden. Wir erarbeiten aktuell eine Start-up-Strategie der Bundesregierung. Die Voraussetzungen für Start-ups zu verbessern, heißt dabei auch, das Entstehen von zukunftsgerichteten Arbeitsplätzen in Deutschland zu unterstützen. Zudem unterstützen wir mit Fördermaßnahmen wie „Digital Jetzt“ und „go-digital“ schon heute kleine Unternehmen bei der digitalen Transformation. Wir verstehen die Digitalisierung als große Qualifizierungschance und fördern die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wichtig ist dabei auch die Fachkräftestrategie, die wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, unter Federführung des BMAS weiterentwickeln werden.

Digitalisierung impliziert Energieverbrauch. Müssen wir in den sauren Apfel beißen, dass Digitalisierung auf jeden Fall zu immer mehr Strombedarf führt?

Zum einen dürfen wir nicht nur auf den unmittelbaren Stromverbrauch durch Digitalisierung schauen, sondern müssen auch sehen, dass Digitalisierung oft die Effizienz im System steigert und damit zu Einsparungen führt. Zum anderen haben wir uns vorgenommen, 80  Prozent unseres Stromverbrauchs bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Dazu werden wir den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen. Die entsprechende Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes soll noch vor der Sommerpause vom Deutschen Bundestag beschlossen werden. Außerdem zeigen Studien, dass die Energieverbräuche digitaler Technologien in den Haushalten zwischen 2008 und 2018 sogar gesunken sind – trotz immer mehr internetfähiger Geräte. Auch bei den Rechenzentren sehen wir noch viel Potenzial für mehr Energieeffizienz. Dabei sind größere Rechenzentren effizienter als kleinere. Wir werden uns daher aktiv dafür einsetzen, dass die Industrie mehr cloudbasierte Lösungen nutzt. Dann muss nicht jedes Unternehmen eigene Rechenkapazitäten vorhalten. Ein Beispiel ist der Datenraum Industrie 4.0, den wir gerade entwickeln. Und mit dem Projekt Catena-X haben wir bereits ein Leuchtturmprojekt für die datenbasierte Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette in der Automobilwirtschaft umgesetzt.

Können Sie skizzieren, welche Schwerpunkte die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung haben wird? Wie wollen Sie sich von der Vorgängerregierung unterscheiden?

Ich will mich auf das konzentrieren, was wir als BMWK vorhaben: Wir sehen die Digitalisierung als treibende Kraft gegen den Klimawandel. Der sinnvolle Einsatz digitaler Technologien kann fast die Hälfte der notwendigen CO2-Einsparungen beisteuern, die wir zur Erreichung des Klimaziels benötigen. Entscheidende Sektoren sind hierbei die industrielle Fertigung, Energie, Mobilität und Gebäude. Diese Potenziale wollen wir heben. Dafür nutzen wir einen breiten Instrumentenkasten, bei dem ein Projekt in das andere greift: Mit den Mittelstand-Digital-Zentren und der Förderung von regionalen Transformationsnetzwerken und Innovationsclustern unterstützen wir die zielgerichtete digitale Transformation der Wirtschaft und Industrie. Als Rückgrat brauchen wir ein stabiles Stromnetz, daher planen wir die Modernisierung und Digitalisierung der Verteilnetze. Und mit dem Technologieprogramm IKT für Elektromobilität erproben und entwickeln wir wirtschaftliche Anwendungen von Elektromobilität in Energie-, Logistik- und Liegenschaftsinfrastrukturen. Damit werden wir einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes und der Erreichung der Klimaziele leisten.


Bild: Sajad Nori | Unsplash

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