Wann kommt die Agrarwende?

Der Zustand unserer Natur verschlechtert sich zusehends und die damit verbundenen Risiken häufen sich: Das Bienensterben ist eine echte Bedrohung für die weltweite Nahrungsmittelsicherheit, unser Grundwasser über alle Gebühr mit Nitraten belastet und die Flächenversiegelung weiter auf dem Vormarsch. Die konventionelle Landwirtschaft hat einen hohen Anteil an diesen Entwicklungen. Mit der Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) für 2020 verbindet sich nun die Hoffnung, Fehlanreize in der Landwirtschaft zu korrigieren und sie nachhaltig auszurichten.

In Deutschland verlieren wir täglich eine Fläche von rund 90 Fußballfeldern an Siedlungen, Verkehrswege oder Monokulturen, auf denen sich keine Artenvielfalt mehr entwickeln kann. Experten belegen das Artensterben mit dramatischen Zahlen. So ist beispielsweise der Bestand an Insekten in Teilen Deutschlands in den letzten Jahren um fast 80 Prozent zurückgegangen. Die Auswirkungen auf unser Ökosystem sind bislang noch unklar, sie dürften aber enorm sein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass 70 Prozent der für den Menschen wichtigsten Nutzpflanzen von Insekten bestäubt werden.

In der politischen Diskussion um den nachhaltigen Umgang mit der Natur und damit auch mit der Produktion unserer Grundnahrungsmittel wird die Artenvielfalt zwar stets erwähnt, bislang wurden jedoch kaum Fortschritte erreicht. So stellte das Bundesumweltministerium im August 2017 fest: „Die Natur in Deutschland wird nach wie vor über ihre Leistungsfähigkeit hinaus genutzt. Der zentrale Indikator ‚Artenvielfalt und Landschaftsqualität‘ zeigt einen negativen Trend.“ Schuld sind die erwähnten Entwicklungen, aber auch mangelnde Konsequenz in der Durchsetzung von Regelungen. Denn „Insgesamt wird die gesetzliche Verpflichtung der Länder, ein Netz verbundener Biotope zu schaffen, das mindestens zehn Prozent der Fläche eines jeden Landes einnimmt, noch zu langsam umgesetzt.“

Fehlanreize in der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik
Im Europäischen Parlament ist die Diskussion um die Neuausrichtung der Agrarpolitik in vollem Gange. Bei der letzten Revision 2013 hatte man sich vorgenommen, ab 2020 eine neue Politik zu formulieren. Die Fraktion der Grünen sowie zahlreiche Umweltverbände sehen dafür großen Handlungsbedarf.

Die größte Fraktion im Parlament, die Konservativen, bremsen hingegen und berufen sich auf die Ungewissheit, die von den Brexit-Verhandlungen ausgehe. Großbritannien ist immerhin einer der größten Beitragszahler im EU-Haushalt, und die Ausgaben für die Landwirtschaft sind mit Abstand die höchsten. Rund 59 Milliarden Euro werden dafür europaweit jährlich ausgegeben. Wenig genützt hat eine Vorgabe der Kommission aus dem Jahr 2015, die den Bauern vorschreibt, fünf Prozent ihrer Flächen ökologisch nachhaltig zu bewirtschaften. Ein substanzieller Effekt für die Biodiversität lässt sich laut den Umweltverbänden bislang nicht nachweisen.

Landwirtschaft belastet das Grundwasser
Dünger und Pestizide aus der Landwirtschaft landen auch im Grundwasser. Daran hat die aktuelle Düngemittelverordnung der EU aufgrund ihrer vielen Ausnahmen kaum etwas verändert. Dabei steht im Zentrum der Verschmutzung die Nitratbelastung, die vor allem auf die Massentierhaltung und das übermäßige Düngen mit Gülle zurückzuführen ist. Die EU hat Deutschland wegen der zu hohen Nitrat-Werte sogar verklagt; das kann Milliarden kosten.

Gleichzeitig wird die EU-Kommission Ende 2017 neue Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung vorlegen. Hier hat das Umweltbundesamt bereits angekündigt, dass es die vorgesehenen Standards für zu gering halte. Zwar könne das Wasser für den Menschen gefiltert werden, für die Umwelt, und somit für die Lebensräume der Tiere, bestehe die hohe Nitratbelastung aber weiterhin. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, in der Landwirtschaft grundsätzlich weniger zu düngen.

Was leistet die Ökolandwirtschaft?
Die ökologische Landwirtschaft setzt darauf, die Flächen im Einklang mit der Natur zu bewirtschaften, anstatt sie auszubeuten. Die biologische Vielfalt soll erhalten oder sogar gefördert werden. Für eingesetzte Mittel gibt es strenge Auflagen, um die Belastung für Natur, Tier und Menschen möglichst zu minimieren und das natürliche Gleichgewicht zu erhalten. Das Image von ökologischen Produkten ist gut; Hofläden und ganze Ökodörfer gibt es inzwischen quer durch Europa zahlreich, und sie ziehen sogar Touristen an, die die Produkte schätzen. Bestes Beispiel ist das Ferienland Österreich mit einem Anteil ökologisch bewirtschafteter Fläche von 20 Prozent. Doch auch in Deutschland ist der Anteil seit 2010 gewachsen, während er in Frankreich um vier und in Großbritannien gar um fast 30 Prozent zurückging. Denn natürlich hat Öko-Anbau auch seinen Preis: Für den gleichen Ertrag wird das Doppelte der Fläche benötigt – zumindest in Europa. Die Produkte hingegen lassen sich höherpreisig vermarkten.

Klima- und Umweltschutz als Aufgabe der EU-Agrarpolitik
Eine politische Diskussion über die Massentauglichkeit der Ökolandwirtschaft ist längst überfällig und wäre im Rahmen der GAP besonders wichtig. Das zeigt auch die im Mai 2017 beendete Konsultation der EU-Kommission. In mehr als 85 Prozent der 1.400 Positionspapieren wird deutlich, dass Klimawandel und Umweltschutz als größte Herausforderungen für die künftige Agrarpolitik gesehen werden. Bauern befürchten Ernteverluste und damit auch Einkommensverluste, wenn beispielsweise die Regenmengen zukünftig unkalkulierbarer werden. In der Revision der GAP steckt daher die Chance, auch große Themen, die für die Bauern wichtig sind, anzupacken und die Milliarden für die Landwirtschaft endlich nachhaltiger als bislang auszugeben.

 

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