Vorhaben der Ampel-Koalition: Das erwartet Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit

Ob in der Ukraine, der Corona-Krise oder auch bei der nachhaltigen Gebäudeförderung – die neue Bundesregierung steht seit ihrem Antritt dauerhaft unter Druck und strenger Beobachtung. Nicht zuletzt aufgrund ihrer ambitionierten Ankündigungen betrifft das auch die Nachhaltigkeitspolitik. Wir haben uns die Pläne der Bundesregierung in den vergangenen Wochen genauer angeschaut und geben einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen – und was sich daraus für Unternehmen ergibt.

Das Klima bestimmt den Koalitionsvertrag

Dem neu zugeschnittenen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unter Robert Habeck kommt in den Plänen der Ampelkoalition eine Schlüsselrolle zu. Es soll für neue Gesetze einen Klimacheck durchführen, also die Vorhaben der Regierung auf Kompatibilität mit den Pariser Klimazielen untersuchen. Wie gewichtig dieser Prüfung tatsächlich wird, bleibt abzuwarten. Denn ein Vetorecht, wie ursprünglich diskutiert, bekommt das Superministerium nicht.

Als Leitstern dient der Regierung beim Klima eine Entscheidung aus der vergangenen Legislaturperiode: Das nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepasste Bundesklimaschutzgesetz legt die Emissionsziele Deutschlands fest. Die Tatsache, dass die Judikative der Politik die Aufstellung strengerer Klimaziele anordnete, könnte auch die kommenden vier Jahre prägen. Gerichte beschäftigen sich immer mehr mit der rechtlichen Dimension des Kampfes gegen den Klimawandel, das zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Klimaklagen, die kürzlich von der FAZ unter die Lupe genommen wurden.

Das Beispiel von Klimaklagen verdeutlicht, dass das Risikomanagement in Unternehmen auch sogenannte Transitionsrisiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel berücksichtigen sollte.

Das ist der Plan: 

  • Deutschland will sich im Rahmen der G7-Präsidentschaft für die Gründung eines internationalen „Klimaclubs“ einsetzen – ein multinationales Handelsabkommen zwischen Staaten, die sich beim Klimaschutz gegenseitig wirtschaftlich fördern und gemeinsame politische Rahmenbedingungen definieren, um so die globale Erwärmung zu reduzieren.
  • Ein nach der Welthandelsorganisation (WTO) konformer CO2-Grenzausgleich soll auf EU-Ebene eingeführt werden und wird von der neuen Regierung unterstützt. Damit würde die CO2-Bepreisung deutlich ausgeweitet und würde an der Grenze für Zement, Dünger, Eisen, Stahl, Aluminium und die Stromerzeugung neue Kosten für Importeure bringen.  Unternehmen, die diese Produktgruppen beziehen, sollten frühzeitig einen Blick in ihre Lieferketten werfen.
(Noch) kein Abschied von fossilen Energien

Die Diskussion um die Aufnahme von Atomenergie als nachhaltiger Wirtschaftsaktivität in die EU-Taxonomie kam Anfang des Jahres in der breiten Öffentlichkeit an – für weniger Aufruhr sorgte die Tatsache, dass sich SPD, Grüne und FDP klar zum Erdgas als Übergangstechnologie bekennen. Neue Gaskraftwerke sollen gebaut und gefördert werden, sofern sie „H2-ready“ sind, also potenziell auch zur Herstellung grünen Wasserstoffs verwendet werden können.

Der Kohleausstieg solle „idealerweise“ schon 2030 kommen, da die Kohleverstromung sich durch die Effekte der CO2-Bepreisung wirtschaftlich bis dahin nicht mehr lohnen würde. Hier bleiben die Regierungsparteien im Konjunktiv. 

Gesichert ist, dass braune Energie in den kommenden Jahren massiv teurer wird. Der CO2-Preis für Verbraucher im deutschen Emissionshandel (aktuell 25 €/t) soll zwar nicht stärker steigen als bisher geplant, bis 2025 sind allerdings schon 55 €/t geplant. 

Für die Industrie soll ein Mindestpreis von 60 Euro pro Tonne eingeführt werden. Im Europäischen Emissionshandel, an dem die großen Emittenten in der Industrie teilnehmen müssen, liegt der Preis seit Mitte letzten Jahres allerdings schon ohne Eingriff darüber – Unternehmen spüren bereits jetzt die hohen Zertifikatspreise (aktuell über 90 €/t).

Das ist der Plan: 

  • Die EEG-Umlage wird abgeschafft – eventuell noch in diesem Jahr. Damit soll der Druck vom Kessel der Energiepreise genommen werden, die weiter stark steigen.
  • Die Pläne der Regierung erfordern eine Vervierfachung der Kapazitäten für Photovoltaik und Wind. Der Ausbau vor allem von Windkraftanlagen wird deshalb forciert, unter anderem sollen die umstrittenen Abstandsregeln und Beschränkungen im Planungsrecht aufgeweicht werden.
Zukunftsthemen wie Kreislaufwirtschaft werden gestärkt

Mehr Förderung für die Innovationsfelder Kreislaufwirtschaft, Wasserstoff oder digitale Infrastruktur – das ist das Versprechen des Koalitionsvertrags.

Das Thema Kreislaufwirtschaft wird in den nächsten Jahren voraussichtlich umfangreich von der Europäischen Union reguliert – doch die Ampel nimmt einige zentrale Vorhaben noch einmal explizit in ihre Absichtserklärungen auf: Dazu gehört ein staatliches Recyclinglabel, neue Förderungen für ressourcenschonendes Verpackungsdesign und strengere Vorgaben zur Abfallvermeidung.

Beim Wasserstoff scheint es Anfang 2022 so, als würde der Weg der Großen Koalition fortgeführt. Überraschend verkündete die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger, dass der Beauftragte für Wasserstoff der Vorgängerregierung Stefan Kaufmann im Amt bleibt.  Er muss sich künftig allerdings für höher gesteckte Ziele einsetzen: Die Koalition legt sich auf eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 als Ziel fest – bisher waren 5 Gigawatt angepeilt. 

Das ist der Plan: 

  • Die nationale Wasserstoffstrategie wird 2022 aktualisiert.
  • Sobald wie möglich soll ein staatliches Recyclinglabel eingeführt werden
  • Produktspezifische Mindestquoten für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen sollen auf europäischer Ebene eingeführt werden.

Das kommt 2022

  • Solardachpflicht im Gewerbe: Das Wirtschaftsministerium will so bald wie möglich die Solardachpflicht auf den Weg bringen – im Bund gilt sie dann für alle gewerblichen Neubauten, manche Länder planen sie aber für alle neuen Gebäude (z. B. Hamburg, Baden-Württemberg).
  • Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie: Mit mehreren Jahren Verspätung will die Regierung ein Whistleblower-Gesetz aufstellen, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Sanktionen schützt, wenn sie als Hinweisgebende gegen ihre Arbeitgeber aktiv werden.
  • Gebäudeförderung: Nach dem Stopp der KfW-Programme im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) muss schnellstmöglich ein Nachfolgeprogramm auf den Weg gebracht werden. Mindeststandard für eine Förderung wird das ehemalige Effizienzhaus 40.

Was sonst noch auf Unternehmen und Verbraucher wartet

In der Gesellschaftspolitik waren sich die Koalitionsparteien schneller einig als bei vielen anderen Themen – eine Liberalisierung in diesem Bereich betrifft auch Unternehmen: Unter anderem soll die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern weiter gestärkt werden. Dafür will die Regierung die Durchsetzung des Entgelttransparenzgesetzes durch die Einführung eines Verbandsklagerechts stärken.

Der Verbraucherschutz hingegen hat in der neuen Regierung das Ressort gewechselt: Er ist nicht mehr im Justiz-, sondern im Umweltministerium angesiedelt. Ob dies eine Schwächung von Verbraucherschutzthemen bedeutet, hängt vor allem davon ab, welche der geplanten Vorhaben umgesetzt werden. So kündigt der Koalitionsvertrag an, eine flexible Gewährleistungsdauer und einfachere Widerrufsmöglichkeiten einzuführen. Ebenso sollen die Kundenrechte gegenüber Digitalunternehmen gestärkt werden. 

Schließlich werden auch auf Unternehmensseite neue Möglichkeiten geschaffen. Für Sozialunternehmen wird die seit Längerem geforderte Gesellschaftsform der GmbH mit gebundenem Vermögen eingeführt, das sogenannte Verantwortungseigentum. So soll gemeinwohlorientiertes Wirtschaften schon in der Rechtsform verankert werden.

Unser kurzer Rundumschlag zeigt: Die selbsternannte Fortschrittskoalition hat große Pläne. Diese sind oft abstrakt und noch unausgereift, doch es finden sich auf den 178 Seiten des Koalitionsvertrags und in den ersten gestarteten Initiativen auch viele konkrete Vorhaben, die das nachhaltige Wirtschaften in den kommenden vier Jahren voranbringen könnten. 

Neben den hier angeschnittenen Themen haben sich die Koalitionäre noch viel Weiteres vorgenommen, zum Beispiel im Verkehrsbereich, der Bauwirtschaft, der Landwirtschaft und dem Naturschutz. Mehr zu den Plänen der Ampel-Koalition findet sich in unserer LinkedIn-Serie #wasunserwartet.


Titelbild: Ansgar Scheffold | Unsplash

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