Umsetzung des CSR-RUG

Ein Kommentar von Sabine Braun, der einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen bietet.

So sperrig das klingt, so ist es auch. Denn die Verankerung der nichtfinanziellen Erklärung in der Lageberichterstattung fordert zumindest im ersten Anlauf formale Verrenkungen statt sinnvoller Beschäftigung mit Nachhaltigkeit. Ein klassischer Fall von „gut gemeint“?

Das CSR-RUG, sprich das CSR-Richtline-Umsetzungs-Gesetz, hat die europäische Berichtspflicht für nichtfinanzielle Informationen zum April 2017 in deutsches Recht übertragen. Abgesehen davon, dass man hierzulande mal wieder viel zu spät dran war mit der Umsetzung, hat man dann – ebenso wohlmeinend wie unkundig – gleich noch ein paar Abweichungen von den Rahmenvorgaben der Europäischen Union beschlossen: Die nichtfinanzielle Erklärung muss in Deutschland bereits vier statt sechs Monate nach Bilanzstichtag vorliegen und soll vom Aufsichtsrat geprüft sein. Chapeau! Das kann nur beschließen, wer betriebliche Realitäten gar nicht kennt. Aber zugleich – anders als die Schweden – vor der möglichen Verpflichtung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zurückscheuen. Pingeligkeiten im Kleinen können die Angst vor großen Würfen nicht wettmachen. Warum nicht wenigstens eine Verschärfung erst nach zwei Jahren Einführungsfrist? Das wäre eine realitätsverträgliche politische Rahmensetzung gewesen.

Verschiedene Formate
Als reportingerfahrene Beratung, die aktuell mit weit mehr als 20 nichtfinanziellen Erklärungen umgeht – von integrierten nichtfinanziellen Erklärungen im Lagebericht über getrennt publizierte knappe Erklärungen als PDF bis hin zu Nachhaltigkeitsberichten, die parallel zum Geschäftsbericht erscheinen und die nichtfinanzielle Erklärung abdecken – haben wir manche Überraschung erfahren, viele Diskussionen geführt, Absonderliches erlebt und auch hilfreiche Hinweise bekommen.

Wir haben mit allen großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammengearbeitet und konnten dabei große Unterschiede, Schwerpunkte und Zielrichtungen feststellen, je nachdem, wie erfahren die Prüfer in Sachen nichtfinanziellen Reportings waren. Die GRI Standards zu kennen, heißt noch längst nicht, sie zu verstehen. Die Diskussionen um das, was zu berichten ist, gestalteten sich ebenso unterschiedlich wie die Prüftiefe. Um nun kurz die wichtigsten „Knackpunkte“ herauszugreifen:

Leistungsindikatoren: Was ist bedeutsam?
Manche Unternehmen veröffentlichen ohne groß mit der Wimper zu zucken fast alle Kennzahlen, die sie im Nachhaltigkeitskontext erheben. Andere nehmen den Begriff „bedeutsame Leistungs-indikatoren“ so ernst, dass sie keine einzige Kennzahl veröffentlichen. Der Vorbehalt der Steuerung mag für beide Unternehmen aber gleich gegeben sein. Denn wo schon wird heute mit Nachhaltig-keitskennzahlen auf oberster Ebene gesteuert – leider.

Allerdings: Wer will, kann auch das Argument aushebeln. In den vielfältigen Kommentaren zur Umsetzung des CSR-RUG wurde zurecht darauf hingewiesen, dass auch unterhalb des Vorstands von Steuerungsrelevanz gesprochen werden kann, wenn beispielsweise Umweltbeauftragte die Abfallkennzahlen zur Optimierung des Entsorgungs-managements nutzen. Man kann sich nun sozusagen aussuchen, welcher Linie man folgen möchte.

Wesentlichkeit: Was ist relevant?
Über die doppelte Wesentlichkeitsformel (Geschäftsrelevanz und Auswirkungen auf Umwelt, Mitarbeiter und Gesellschaft) wurde viel diskutiert. Am klarsten herausgearbeitet wurde sie von Prof. Dr. Peter Kajüter (Danke an die Universität Münster!).

Sie bleibt in der Umsetzung allerdings das größte Problem – es sei denn, man negiert sie einfach (was auch geht, wie erste Erklärungen zeigen). Nimmt man sie ernst, müssen sich Unternehmen, die beispielsweise schon länger nach den Leitlinien der Global Reporting Initiative berichten, von so manchem wesentlichen Aspekt verabschieden ­– weil er zwar mit Auswirkungen auf Umwelt, Mitarbeiter oder Gesellschaft verbunden, aber für den Geschäftsverlauf nicht wesentlich ist. Kein Wunder, dass viele bei der Veröffentlichung des bewährten Nachhaltigkeitsberichts für ihre Stakeholder bleiben und die nichtfinanzielle Erklärung gesondert davon machen.

Risiken: Was ist wirklich schwerwiegend?
Dazu gibt es wahrscheinlich am meisten Diskussionen, da die nichtfinanziellen Erklärungen derzeit sehr eng zusammen mit dem Accounting erstellt werden. Vergessen wird dabei, dass bereits das Bilanzrechtsreformgesetz von 2004 eine Berücksichtigung nichtfinanzieller Risiken nahelegte, die dann aber aufgrund des kurzen Fristrahmens nie gegriffen hat.

Ganz ähnlich ist es heute. Mit Frist von ein bis zwei Jahren sind nur ganz wenige soziale oder ökologische Auswirkungen für die Unternehmen mit einem echten Risiko behaftet. Hier scheint die Verlängerung des Prognose­zeitraums für soziale und ökologische Aspekte die einzige Möglichkeit zu sein, dieses Thema in Unternehmen formal einzufangen. Um keinen Widerspruch mit den Aussagen des Risikomanage­ments zu evozieren sprechen nun viele Unternehmen in der nichtfinanziellen Erklärung von potenziellen Auswirkungen statt von Risiken.

Eine Studie soll Überblick schaffen
Die Nichtfinanzielle Erklärung unter das Regime der – kurzfristig orientierten ­– Lageberichterstattung zu stellen, erweist sich als gravierender Geburtsfehler. Eines allerdings muss man der Entscheidung lassen: die Aufmerksamkeit für das Thema bei Vorständen und Aufsichtsräten ist deutlich gestiegen. Dass die Berichterstattungsprozesse in den Unternehmen dadurch komplexer geworden sind, muss man wohl in Kauf nehmen. Nach der ersten Umsetzungsphase dürfte sich das Dickicht auch lichten.

Aufmerksamkeit für das Thema ist deutlich gestiegen

Wir freuen uns deshalb sehr, mit der Studie zur Umsetzung des CSR-RUG durch das Deutsche Global Compact Netzwerk und econsense beauftragt worden zu sein, hatten wir Ähnliches doch selbst vor. Auf die Ergebnisse sind wir schon sehr gespannt und hoffen, mit diesen auch zu mehr Nachhaltigkeit bei der Umsetzung in den Unternehmen beitragen zu können.

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