Taxonomie: Maßstab für Nachhaltigkeit

Mit dem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums will die Europäische Union (EU) die Finanzströme in die richtige Richtung lenken und Fehlinvestitionen vorbeugen. Die nun vorgelegte Taxonomie ist Maßstab dafür, was nachhaltig ist. Mit ihr definiert die EU verbindlich, welche wirtschaftlichen Aktivitäten mit den europäischen Umweltzielen, allen voran die Klimaziele, vereinbar sind.

Der 2018 von der EU beschlossene Aktionsplan zur Finanzierung Nachhaltigen Wachstums (Sustainable Finance) umfasst insgesamt zehn Punkte. Eine zentrale Komponente ist die sogenannte EU-Taxonomie als Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeit. Sie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten nach dem Verständnis und gemäß den Zielen der EU als nachhaltig gelten können. Indem sie Investoren und Unternehmen damit eine Orientierung gibt und als Entscheidungshilfe dient, soll sie private und öffentliche Investitionen ankurbeln, um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu finanzieren.

Beitrag zu sechs Umweltzielen

Derzeit umfasst die Taxonomie Kriterien dafür, welche wirtschaftlichen Aktivitäten zur Erreichung der beiden Umweltziele Klimaschutz sowie Anpassung an den Klimawandel substanziell beitragen. Bis Ende 2021 sollen solche Kriterien auch hinsichtlich der weiteren vier Umweltziele festgelegt sein. Das sind: Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme.

Bei den Aktivitäten, auf die sich die Kriterien der Taxonomie beziehen, werden zwei Arten unterschieden: Das sind einerseits Aktivitäten, die selbst einen substanziellen Beitrag zu einem der Umweltziele leisten (own performance), andererseits Aktivitäten, die substanzielle Beiträge anderer Aktivitäten erst ermöglichen (enabling activties).

Drei zentrale Grundsätze

Damit Aktivitäten als taxonomiekonform eingestuft werden können, müssen sie nicht nur einen substanziellen Beitrag zu einem Umweltziel leisten. Sie dürfen zugleich auch keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigen und sollen außerdem soziale Mindestanforderungen erfüllen. Dazu gehören insbesondere die Leitlinien für Multinationale Unternehmen der OECD und die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Die drei grundsätzlichen Anforderungen auf einen Blick (Technical Expert Group on Sustainable Finance, 2020):

  • Substanzieller Beitrag zu mindestens einem der insgesamt sechs definierten Umweltziele (Substantially contribute)
  • Keine erhebliche Beeinträchtigung eines der anderen fünf definierten Umweltziele (Do no significant harm)
  • Übereinstimmung mit sozialen Mindeststandards (Minimum safeguards)

Wirkungsweise der Taxonomie

Die Wirkung lässt sich anhand eines Beispiels erläutern: Eisen und Stahl werden auch für eine nachhaltige Wirtschaft benötigt, doch muss deren Herstellung künftig mit besonders effizienten Anlagen erfolgen. Sie erfüllt die Klimaschutzanforderungen der Taxonomie deshalb nur, wenn die mit den Produktionsprozessen verbundenen Treibhausgasemissionen niedriger sind als die von der EU definierten Richtwerte (Benchmarks). Für Roheisen beispielsweise liegt der Richtwert bei 1,328 Tonnen CO2-Äquivalenten je Tonne Produkt. Einen substanziellen Beitrag im Sinne der Taxonomie leisten Anlagen, die diesen Richtwert erfüllen, oder Investitionen, die dazu führen, diesen Richtwert zu erreichen bzw. zu unterschreiten.

Anlagen und Projekte zur Kohleverstromung sind grundsätzlich nicht mit der Taxonomie vereinbar, da sie die Klimaschutzziele der EU konterkarieren würden. Atomkraft scheidet aufgrund des Prinzips „Do no significant harm“ voraussichtlich genauso aus dem Kreis taxonomiekonformer wirtschaftlicher Aktivitäten aus. Hierüber wird auf EU-Ebene allerdings noch diskutiert. Doch auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder Erdgas ist nicht sakrosankt, sondern unterliegt den strengen Anforderungen der Taxonomie. So kann beispielsweise eine ineffizient arbeitende Photovoltaikanalage nicht als taxonomiekonform gelten.

Zukünftige Berichtsanforderungen

Unternehmen, die aufgrund der europäischen CSR-Richtlinie berichtspflichtig sind, müssen ab 2022 in ihren nichtfinanziellen Erklärungen zusätzlich angeben, wie hoch der Umsatzanteil taxonomiekonformer Aktivitäten und wie hoch der taxonomiekonforme Anteil ihres Investitionsvolumens ist. Dies gilt zunächst nur für die beiden klimabezogenen Ziele, ein Jahr später dann für alle sechs Umweltziele.

Umsetzung durch Finanzmarktakteure

Anhand der Unternehmensangaben sollen Finanzmarktakteure wiederum ermitteln, wie hoch der Anteil taxonomiekonformer Aktivitäten in ihren Finanzprodukten, beispielsweise Investmentsfonds, ist. Für „grüne“ Finanzprodukte ist das Ergebnis zwingend darzustellen, bei nachhaltigen Finanzprodukten gilt dies nur für den „grünen Anteil“, bei konventionellen Finanzprodukten hat es entweder ebenfalls zu erfolgen oder es muss folgender Hinweis gegeben werden: „Die diesem Finanzprodukt zugrunde­liegenden Investitionen berücksichtigen nicht die EU-Kriterien für ökologisch nachhaltige Investitionen“. Das Prinzip zur Bestimmung des Anteils taxonomie­konformer Aktivitäten ist hier am Beispiel eines Aktien-Portfolios skizziert:

(C) Technical Expert Group on Sustainable Finance 2020
Quelle: Technical Expert Group on Sustainable Finance (2020)

Ausblick

Die Taxonomie wurde von den Mitgliedern der Technical Expert Group on Sustainable Finance entwickelt. Die EU-Komission wird die von ihnen vorgelegte Fassung noch einmal prüfen und gegebenenfalls Details anpassen. Mit einer Entschärfung der Anforderungen ist laut Aussagen der Generaldirektion FISMA (Financial Stability, Financial Services and Capital Markets Union) aber nicht zu rechnen. Bis Ende 2021 soll die Taxonomie zudem auf alle sechs Umweltziele erweitert worden sein.

Bereits bis Juni 2021 will die EU-Kommission die Berichtspflichten für Unternehmen des Finanzmarkts wie für Unternehmen der Realwirtschaft im Detail festgelegt haben. Finanzunternehmen sollen erstmals zum 31. Dezember 2021 gemäß Taxonomie berichten. Und ab Januar 2022 sollen dann alle Unternehmen der Realwirtschaft, die unter die europäische CSR-Richtlinie fallen, Umsatz und Investitionen gemäß der Taxonomie ausweisen.

 

Downloads

Taxonomy. Final report of the Technical Expert Group on Sustainable Finance (März 2020)

Taxonomy Report. Technical Annex (März 2020)

 

Titelbild: William Daigneault, Unsplash

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