Zur Erinnerung: Über Steuerzahlungen finanzieren Gemeinden und Staaten verschiedene Aufgaben wie Bildung, öffentliche Infrastruktur, Gesundheitswesen, soziale Absicherung oder die innere und äußere Sicherheit. Dinge, die auch Unternehmen zugutekommen. Doch immer wieder kam es insbesondere bei multinationalen Konzernen zu einer diffusen Verortung von Wertschöpfung und Gewinnerzielung, manchmal sogar Steuervermeidung. Stichwort Panama Papers, Paradise Papers, Luxemburg Leaks.
2018 allein verlagerten multinationale Unternehmen rund 40 Prozent bzw. mehr als 900 Billionen US-Dollar ihrer Gewinne künstlich in Steueroasen, wie die Studie The Missing Profits of Nations zeigte. Dies verringerte die weltweiten Unternehmenssteuereinnahmen um rund 10 Prozent.
Um dem entgegenzuwirken, brachten die G20-Finanzminister:innen im Juli 2021 eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent (ab 2023) auf den Weg – eine Zäsur in der internationalen Unternehmensbesteuerung. Zudem wurde durch das Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) Projekt der OECD ein „public“ – also offenlegungspflichtiges – Country-by-Country-Reporting (CbCR) gegen Gewinnverkürzungen oder -verlagerungen angestoßen. Nach fünf Jahren der Abstimmung unter den 28 EU-Finanzministern fand die Richtlinie dazu Anfang 2021 mehrheitliche Zustimmung. Bis Juni 2023 muss sie nun durch die EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Das verbindliche Reporting für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro könnte erstmalig für das Berichtsjahr 2025 erfolgen.
Was haben Steuern mit Nachhaltigkeit zu tun?
Es geht um „Good Corporate Citizenship“, die gute Unternehmensführung: Unternehmen, die ohne unangemessene Steuervermeidungsstrategien in dem Land, in dem sie wertschöpfend tätig sind, Steuern zahlen, handeln verantwortungsvoll – und damit auch nachhaltig. Denn nur so werden Investitionen, die zur Verbesserung von Themen wie Bildungsgerechtigkeit, Diversität oder der Bekämpfung von Hunger beitragen, ermöglicht.
Die Themen Steuern und Nachhaltigkeit rücken immer näher zusammen. Nicht umsonst wies der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) der Steuerpolitik Anfang 2020 im Hinblick auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen in seiner Stellungnahme zum Thema „Besteuerung, Privatinvestitionen und Nachhaltigkeitsziele“ eine grundlegende Bedeutung zu. Auch der europäische Green Deal und das Fit for 55-Gesetzgebungspaket sorgen für immer mehr Berührungspunkte – beispielsweise bei der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie 2018 oder der Einrichtung eines CO2-Grenzausgleichssystems über das Brennstoffemissionshandelsgesetz 2019, mit dem auch der Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr 2021 eingeführt wurde. Die Bundesregierung treibt ebenfalls steuerpolitische Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit voran. Sie will Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance Standort machen – und Unternehmen darin bestärken, in Zukunft nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, um zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beizutragen.
In der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind Steuern wesentlich
Aufgrund der gestiegenen Relevanz für Nachhaltigkeitsthemen und auch wegen der zentralen Bedeutung von Steuern für die Gesellschaft, können diese als per se wesentlich für alle Unternehmen betrachtet werden. 2019 hat die Global Reporting Initiative (GRI) mit dem GRI 207: Steuern einen eigenen Standard veröffentlicht. Bis dahin waren sie unter Wirtschaftliche Leistung (GRI 201) anzugeben, konkrete Angaben wurden häufig vermieden und eine Aufschlüsselung nach Ländern war kein Muss. Mit dem GRI 207 gewähren Konzerne seit dem 1. Januar 2021 Stakeholdern Einblick in ihre Steuerethik – über die Erfüllung gesetzlicher Pflichten hinaus. Denn es gilt unter anderem Folgendes offenzulegen:
- die Steuerstrategie, inklusive Managementansatz zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben
- die Governance für Steuerzahlungen, inklusive Risikomanagement
- wie der Austausch mit Stakeholdern stattfindet, etwa die Zusammenarbeit mit Steuerverwaltungen oder Angaben zu Lobbytätigkeiten
- und länderbezogene Angaben, die sich am bestehenden CbCR nach dem Vorbild der OECD-Regeln orientieren.
Leitschnur für steuerliche Transparenz
Verantwortungsvolle Unternehmensführung ist seit der Veröffentlichung von GRI 207 nicht mehr ohne Angaben zu Steuern denkbar. Anfang 2022 zeigte die Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC durch eine steuerliche Transparenzstudie über den DAX40, dass bereits drei von vier Unternehmen (73 Prozent) Informationen zu steuerlicher Nachhaltigkeit darlegen, insbesondere zu ihren Steuerstrategien. Ihr Fazit: „Fast jedes zweite Dax-40-Unternehmen, das Informationen zur steuerlichen Nachhaltigkeit veröffentlicht, referenziert dabei offen auf den GRI 207, setzt also die Berichtsinhalte des Standards zumindest in Teilen um. Der neue Standard dient vielen berichtenden Unternehmen folglich als Leitschnur für steuerliche Transparenz und hat demnach eine hohe praktische Bedeutung.“ Die Studie „Tax transformation trends survey – Operations in focus“ der Unternehmensberatung Deloitte findet sogar, dass die Steuerabteilung „zunehmend zum strategischen Ratgeber im Unternehmen avanciert.“
Vorteile einer Steuerstrategie
Unternehmen, die Steuern vorausschauend in ihrer Geschäfts- und Nachhaltigkeitsstrategie mitdenken, können unter anderem hiervon profitieren. Sie…
- gewinnen das Vertrauen der Stakeholder und zeitgleich Planungssicherheit.
- sind durch die Berichterstattung nach dem GRI 207 auf das öffentliche CbCR und die kommenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorbereitet: Steuern waren eines der Top 5 Themen von insgesamt 15, die im öffentlichen Konsultationsprozess für die Entwürfe der European Consultation Advisory Group (EFRAG) zu den neuen Standards der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eingereicht wurden.
- können auf zinsgünstige Förderungen nachhaltiger Projekte oder Betätigungen hoffen.
Und: Steuern sind ein wichtiges Kommunikationsthema
Die Reputation eines Unternehmens ist wichtig für das Vertrauen der Stakeholder, Umsätze und damit der wirtschaftlichen Zukunft. Sie kann durch Schlagzeilen wie „Die Geheimnisse des schmutzigen Geldes“ oder „Die Steuerdeals der Konzerne“ deutlich beeinträchtigt werden. In Zeiten, in denen Journalist:innen und die Gesellschaft insgesamt gerade bei Steuerthemen sehr aufmerksam sind, ist es wichtig, eine Steuerstrategie zu definieren, aktiv sowie transparent darzulegen und mit der gezeigten Steuermoral positiv auf die öffentliche Meinung einzuwirken.
Vielleicht ist das der Grund, warum Konzerne wie die Allianz seit langem Tax Transparency Reports erstellen – und übrigens bei GRI 207-4, also beim Country-by-Country-Reporting in der oben genannten PwC-Studie, hervorstach. Auch Vodafone berichtet bereits seit Jahren zu Steuern und ihrem wirtschaftlichen Beitrag: „Als wichtiger Investor, Steuerzahler und Arbeitgeber leistet Vodafone einen erheblichen Beitrag zur Wirtschaft aller Länder, in denen wir tätig sind. Im Jahr 2020 haben wir direkt und indirekt 12,4 Milliarden Euro in bar an Regierungen auf der ganzen Welt gespendet.“
Die Berichterstattung zu Steuern sollte nicht nur als lästige Pflicht gesehen werden. Sie birgt Chancen für echten Mehrwert – wenn man diesen wichtigen Teil der unternehmerischen Aktivität mit den nachhaltigen Zielen zusammendenkt.
Idee und Co-Autor: Johannes Fleischmann
Bild: Sear Greyson | Unsplash