Ist die Integrierte Berichterstattung die Zukunft des Reportings? Zehn Monate nach Vorstellung des IIRC-Frameworks ziehen akzente-Berater eine gemischte Bilanz. Heute argumentiert Dr. Axel Klein contra, in vier Wochen argumentiert Dr. Kristin Vorbohle pro.
Für viele Unternehmen wäre ein Integrierter Bericht zweifellos die angemessene Berichtsform, nämlich für alle, bei denen Nachhaltigkeit ein Teil der Geschäftsstrategie ist. Das Problem ist nur: Es gibt solche Unternehmen kaum. Die Kernherausforderung: Integriertes Berichten setzt integriertes Denken voraus, und das gibt es in den wenigsten Unternehmen.
Als der International Integrated Reporting Council (IIRC) vor zehn Monaten sein „Framework“ vorstellte, war es sein größter Fehler, den Integrierten Bericht (IB) als dritte Alternative zu Geschäftsbericht (GB) und Nachhaltigkeitsbericht (NB) einzuführen, während alle dachten, der IB solle GB und NB mittelfristig ersetzen. Damit ist der IB, so wie vom IIRC angedacht, nach neun Monaten eine Totgeburt.
Aber nicht nur das: Er tötet auch die seriöse Nachhaltigkeitsberichterstattung. In dem Glauben, mit einem IB könne man sich eine Berichtsform (die NB) ersparen, lassen Unternehmen von einer separaten NB ab (Bayer, Deutsche Börse, …), andere fangen erst gar nicht an (viele Mittelständler). Die Nachhaltigkeitsberichterstattung fasst seit gerade einmal 15 Jahren Fuß und wird schon wieder abgewürgt. Es besteht das ernste Risiko, dass es mit der Zunahme der IB bald keine seriöse Nachhaltigkeitsberichterstattung mehr gibt – und das nicht etwa, weil es eine bessere Alternative gäbe, sondern wegen kurzfristiger Kostensparüberlegungen.
Die sechs Kapitalformen des IIRC („financial, manufactured, intellectual, human, social and relationship, and natural capitals“) waren eine nette Idee, aber niemand wendet sie an! Laut IIRC-Beispieldatenbank machen es genau vier Unternehmen weltweit, darunter kein deutsches. Und wenn man sich dann die Beispiele anschaut, ist keins überzeugend. Oder wie finden Sie es, wenn der italienische Ölkonzern ENI unter seinen „industrial challenges“ (zu deutsch: Branchenherausforderungen) nicht den Klimawandel und die Ressourcenverknappung erwähnt (http://examples.theiirc.org/fragment/224)? Was ist das für eine Botschaft an Investoren?
Ein Kernproblem ist die „Connectivity of information“, eines der „Guiding Principles“ des IIRC. Gemeint ist die Herleitung des Unternehmenserfolgs aus den sechs Kapitalformen. Das hätte es nun wirklich spannend gemacht. Endlich hätten Unternehmen erklären können (müssen?), wie Nachhaltigkeit zu ihrem Geschäftserfolg beiträgt. Das IIRC-Framework bietet dafür keinerlei Hilfe an.
Ein anderes Problem, das alle Beteiligten kennen, aber über das niemand offen spricht, ist die Usurpierung des IIRC durch die Wirtschaftsprüfer. Die „Big Four“ der Branche haben den IIRC finanziert und sichergestellt, dass für sie und ihre „Advisory“-Zweige (die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte) genug Arbeit abfällt. Andere Berater wurden zum Entstehungsprozess nicht zugelassen. Dieses kommerzielle Interesse, das über dem Interesse an einer sinnvollen Berichterstattung steht, ist der wesentliche Grund dafür, dass sich einstige Förderer des IIRC in Deutschland inzwischen enttäuscht abgewendet haben.
Fazit: Wenn ein Unternehmen das IIRC-Framework wirklich umsetzen würde, hätten durchaus alle etwas davon (das Unternehmen, seine Investoren, die Gesellschaft). Dann aber bitte nicht als dritte Berichtsform, sondern als die einzige. Ohne eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Seite der Nachhaltigkeit wird das auf absehbare Zeit aber kein Unternehmen schaffen.