Unaufhörliches Wachstumsstreben und ein unendlicher Ressourcenverbrauch definieren die aktuelle Marktlogik. Offensichtliche soziale und ökologische Probleme sind davon völlig losgelöst. Zugleich wächst der gesellschaftliche Druck dem Klimawandel und sozialer Ungerechtigkeit entgegenzuwirken. Wirtschaft und Politik stehen deshalb vor der Herausforderung, sich neu zu organisieren und Ziele und Strategien zu entwickeln, die das Wohlergehen aller in den Mittelpunkt stellen. Doch wie kann das gelingen?
Ein Lösungsansatz für Konsum innerhalb der planetaren Grenzen
Die Wissenschaft beantwortet diese Frage zum Beispiel mit dem Lösungsansatz der Suffizienz: Einer verhaltensorientierten Nachhaltigkeitsstrategie, die auf die absolute Reduktion des Konsums abzielt. Dazu braucht es ein Umdenken – um eine neue Art des Handelns zu anzustoßen. „Wir müssen unser Konsumverhalten so verändern, dass wir innerhalb unserer planetaren Grenzen agieren, leben und konsumieren“, erläutert Maren Kropfeld, die gerade im Fach ökologische Ökonomie an der Universität Oldenburg ihre Promotion abgeschlossen hat. Dabei sollen soziale Mindeststandards eingehalten, ökologische Grenzen respektiert – und gleichzeitig persönliche Bedürfnisse erfüllt werden. Ist das nicht ein Widerspruch? „Es geht bei Suffizienz nicht um einen schmerzhaften Verzicht, sondern um die bewusste Vermeidung eines Überflusses“, so Maren Kropfeld. „Um ressourcenschonende Praktiken, um einen alternativen Konsum in Form von Reparaturen, Sharing-Konzepten, Second Hand-Produkten – also weg vom Besitz, hin zur Nutzung.“
Wieviel ist denn genug?
Eine solche Haltung verlangt jedem Einzelnen jedoch viel ab: Verantwortung, Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich zu informieren. Deshalb steht Suffizienz immer wieder in der Kritik. „Suffizienz ist ein Experiment. Ein theoretischer Ansatz, der keine finalen Antworten gibt und nicht alle globalen Effekte mit einbeziehen kann“, erläutert Maren Kropfeld. Dennoch sind die Fragen, die er aufwirft, sinnvoll und berechtigt. Wie können wir unseren Wohlstand vom Wirtschaftswachstum entkoppeln? Und wieviel ist denn genug für ein gutes Leben?
Wie gut kann Suffizienz für Unternehmen funktionieren?
Um in Unternehmen nachhaltiger zu wirtschaften, reichen Effizienz (besser produzieren) und Konsistenz (anders produzieren) allein nicht mehr aus. Suffizienz (weniger produzieren) wird deshalb als dritte strategische Säule eines nachhaltig orientierten Geschäftsmodells diskutiert. Eines, das nicht nach endlosen Gewinnen strebt, sondern eine gesunde Balance von ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen erreichen will, die durchaus dem Gemeinwohl dienen können. Eine Abkehr vom ökonomischen Wachstum ist für die meisten Unternehmen allerdings immer noch unattraktiv. Und so werden Suffizienz und eine Orientierung am Gemeinwohl anstelle von steigenden finanziellen Gewinnen in der Praxis bislang nur in Teilen angewandt.
Eine Branche als Vorreiter
Vor allem in der Outdoorbranche lassen sich bislang Ansätze und Ideen einer Suffizienz-orientierten Strategie beobachten. Ressourcen durch Reparatur der Produkte und Verkauf von Second-Hand-Artikeln zu schonen, gehört beispielsweise bei Patagonia oder Globetrotter zur nachhaltig orientierten Geschäftsstrategie. Warum solche Unternehmen ein Vorreiter sind, lässt sich schnell zusammenfassen: Sie erwirtschaften hohe Gewinne und können es sich leisten, experimentelle Ansätze zu vertreten. Zugleich bieten sie ein Produktportfolio an, von dem der Verbraucher bereits eine hohe Qualität und Langlebigkeit erwartet. Konsum wird auf diese Weise zwar nicht reduziert, aber bewusster gemacht. „Das ist ein wichtiger erster Schritt“, meint Maren Kropfeld. „Weil ein wichtiger Ansatz der Suffizienz erfüllt wird: die langfristige Nutzung und die wertschätzende Haltung gegenüber natürlichen Ressourcen, Gütern und Produkten.“
Suffizienz als Haltung
Daraus lässt sich ableiten, dass Suffizienz vor allem als Haltung in einer nachhaltig orientierten Geschäftsstrategie verankert werden kann. Die wichtigste Frage dabei ist die nach dem Purpose eines Unternehmens: Warum existiert unser Unternehmen? Wohin soll es sich entwickeln? Welche Ziele verfolgen wir und welche Strategien nutzen wir dafür? Suffizienz kann hier eine Richtung vorgeben. In Kombination mit einem attraktiven Angebot können Unternehmen Kundenansprüche bedienen und gleichzeitig Nachhaltigkeit fördern. Die Outdoorbranche beweist, dass es Zielgruppen gibt, die dieses Konzept zu schätzen wissen.
Ein Ideal als Orientierung
Suffizienz ist ein Lösungsansatz, der manchen vielleicht jetzt noch extrem erscheint. Aber es ist ein Modell, das absolute Berechtigung hat in Zeiten, in denen die Auswirkungen des Klimawandels sowohl physisch als auch in der Regulatorik so stark spürbar sind wie noch nie. Eines, das als ein mögliches Ideal Orientierung geben kann. Dabei gilt, was Maren Kropfeld sagt: „Jedes Unternehmen muss Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung übernehmen, und kann in seinem Bereich und auf seine eigene Art mit ernsthaftem Engagement die sozial-ökologische Transformation vorantreiben.“
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