Die Ernährungsfrage beeinflusst die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten maßgeblich. Die Land- und die Lebensmittelwirtschaft brauchen einen Richtungswechsel – für die Gesundheit der Bevölkerung, aber auch für den Schutz von Klima und Umwelt.
Auch die Politik befasst sich mit den Fragen einer nachhaltigen Ernährung und möchte Verbraucher stärker dazu befähigen, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. Wir sprachen dazu mit dem Bundestagsabgeordneten Alois Gerig (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft.
Wie kann die Politik zu einer gesünderen, umweltfreundlicheren und dennoch sicheren Ernährung beitragen?
Global gesehen stehen wir vor der Herausforderung, dass die Weltbevölkerung rasant wächst und die Lebensmittelproduktion in der Landwirtschaft zunehmend durch Wetterextreme beeinträchtigt wird. Um die Welternährung zu sichern, bedarf es erheblicher Anstrengungen. Insbesondere ist es erforderlich, den Klimawandel zu bekämpfen, widerstandfähigere Kulturpflanzen zu züchten und weniger Lebensmittel zu verschwenden. Gleichzeitig muss die Landwirtschaft ökologischer werden und ihren Beitrag leisten, den Artenschwund zu stoppen. Die Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten stellt uns vor die Aufgabe, eine gesündere Ernährung in den Köpfen und Herzen der Menschen zu verankern. Ich bin überzeugt, dass mehr Wertschätzung für Lebensmittel ein wichtiger Teil der Lösung ist. Durch den bewussten Griff ins richtige Supermarktregal können die Verbraucherinnen und Verbraucher viel für ihre gesunde Ernährung, klimafreundliche Lebensmittel aus der Region und den Erhalt unserer vielfältigen Kulturlandschaft tun.
Systeme zur Kennzeichnung von Lebensmitteln werden intensiv diskutiert. Wie wirksam ist in Ihren Augen die Einführung verpflichtender Kennzeichnungen?
Die Lebensmittelkennzeichnung ist sehr wichtig, damit die Verbraucher informiert und bewusst Kaufentscheidungen treffen können. Derzeit ist bei dem Thema viel in Bewegung. Mit der Einführung eines staatlichen Tierwohllabels wollen wir erreichen, dass die Verbraucher beim Einkaufen einfach erkennen können, ob bei der Erzeugung höhere Tierwohl-Standards als die gesetzlichen umgesetzt wurden. Damit unterstützen wir den Kauf von Fleisch aus besserer Tierhaltung und eröffnen dem Landwirt einen Weg, höhere Standards auch vergütet zu bekommen.
Eine zweite Baustelle ist die erweiterte Nährwertkennzeichnung: Das Kleingedruckte auf der Rückseite von Lebensmittelverpackungen soll durch prägnante Nährwertangaben auf der Vorderseite ergänzt werden. Das soll dem Verbraucher eine schnelle und zuverlässige Orientierung bieten. Ziel ist es, eine gesunde Ernährung zu erleichtern – ohne Ernährungswissenschaften studieren zu müssen. Derzeit läuft eine Verbraucherumfrage, um zu ermitteln, wie das Label ausgestaltet werden sollte. Aufgrund des EU-Rechts kann die erweiterte Kennzeichnung nur freiwillig erfolgen. Es ist wichtig, dass die Wirtschaft mitmacht, damit möglichst alle Produkte die neue Kennzeichnung erhalten.
Ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer bei Fleisch, Alkohol oder zuckerhaltigen Lebensmitteln eine Möglichkeit, um eine Verhaltensänderung der Bevölkerung zu bewirken?
Das glaube ich nicht. Höhere Steuern würden vor allem Menschen mit geringeren Einkommen treffen. Erfolgversprechender ist aus meiner Sicht, die Ernährungsbildung zu verstärken und die Menschen zu einer ausgewogenen Ernährung und viel Bewegung zu motivieren. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten zu reduzieren. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat gemeinsam mit Wissenschaftlern, Verbraucherverbänden und der Ernährungswirtschaft eine Reduktionsstrategie ausgearbeitet: Die Ernährungswirtschaft hat sich verpflichtet, konkrete Reduktionsziele bis 2025 umzusetzen. Für mich ist es ist faszinierend, dass bei manchen Speisen der Zuckeranteil um 20 Prozent reduziert werden kann und es trotzdem noch gut schmeckt.
Welche Herausforderungen bringen die ernährungspolitischen Veränderungen für die deutschen Landwirte mit sich?
Ich freue mich, dass ein Umdenken erkennbar ist: Immer mehr Verbraucher achten nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Herkunft und Qualität von Lebensmitteln. Gesund, saisonal, regional oder „Bio“ sind zu wichtigen Auswahlkriterien geworden. Die Landwirtschaft muss diese Chancen nutzen und deutlich machen: Unsere sicheren heimischen Lebensmittel werden nach hohen Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherstandards produziert und sind einen guten Preis wert.
Die Politik muss diesen Trend unterstützen. So sollte darüber nachgedacht werden, die Herkunfts- und Regionalkennzeichnung zu verbessern. Darüber hinaus ist die Politik gefordert, bei der Reform der EU-Agrarpolitik die Weichen richtig zu stellen: Damit wir unsere bäuerliche Landwirtschaft erhalten und den immensen Strukturwandel nicht noch weiter befeuern, brauchen besonders kleine und mittlere Betriebe eine ausreichende Förderung. Die Betriebe müssen in die Lage versetzt werden, neue gesellschaftliche Anforderungen erfüllen zu können, insbesondere beim Umwelt-, Klima- und Tierschutz.

Das vollständige Interview und weitere Informationen zur Ernährungswende und nachhaltigkeitsrelevanten Entwicklungen in Berlin und Brüssel finden Sie im aktuellen Politikmonitor.
Titelbild: Sydney Rae – unsplash