Von Waldbränden in Kalifornien bis hin zu Dürren auf heimischen Feldern – globale Herausforderungen sind schon lange keine abstrakte Bedrohung mehr. Lösungen sind gefragt. Nach anfänglicher Begeisterung über politische Rahmenverträge wie das Paris Agreement oder die SDGs macht sich knapp zwei Jahre später aber erste Ernüchterung breit: Kein G20-Land ist derzeit auf dem Weg alle SDGs bis 2030 zu erreichen, die Wahrscheinlichkeit das 2-Grad-Ziel bis 2100 einzuhalten liegt derzeit nur noch bei 5 Prozent.
Vor diesem Hintergrund bringen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gerne „nachhaltige Innovationen“ als vermeintliche Heilsbringer ins Spiel. Doch welche Potenziale bergen nachhaltige Innovationen, wo liegen ihre Grenzen und was unterscheidet sie von „normalen Innovationen“?
Innovativer Wettbewerb vs. langfristige Nachhaltigkeit
Neue Ideen sind zur Lösung aktueller wirtschaftlicher, sozialer oder technischer Herausforderungen unerlässlich. Innovationen gehen dabei für Unternehmen meist mit einem Wettbewerbsvorteil auf dem Markt einher: innovationsstark gleich wettbewerbsstark. Deutschland bietet dafür laut dem jüngsten Global Competitiveness Report 2018 beste Rahmenbedingungen. Bei der Innovationsstärke liegen wir weltweit auf Platz eins, in Sachen Wettbewerbsfähigkeit, auf Platz drei hinter den USA und Singapur.
Lösungen für drängende, globale Probleme zu finden ist auch Ansatzpunkt der Nachhaltigkeit. Allerdings unterscheidet sich insbesondere der Zeithorizont deutlich: Geht es dabei ja nicht nur um die Veränderung heute, sondern auch um deren Auswirkungen auf nachfolgende Generationen.
Hier stellt sich die Frage: Sind die beiden Konzepte – innovativer Wettbewerb einerseits vs. langfristiges Nachhaltigkeitskonzept andererseits – vereinbar? Nicht nur Kritiker eines „Green Growth“, auch das Weltwirtschaftsforum weist auf eine negative Korrelation zwischen Umwelt und Wirtschaftswachstum hin: Wettbewerbsstarke Länder haben demnach einen sehr viel größeren ökologischen Fußabdruck. Kein enkeltaugliches, nachhaltiges Modell mit Vorbildcharakter.
„Normale“ vs. nachhaltige Innovationen
Nachhaltige Innovationen versuchen beide vermeintlich gegensätzlichen Konzepte zu vereinen. Neben Kosten, Leistung und Technologie beziehen sie sozioökologische Aspekte in den Ideenfindungs- und Kreationsprozess mit ein. In klassischen Innovationsprozessen sind diese meist zweitrangig. Neben kommerziellem Erfolg haben nachhaltige Innovationen die Lösung gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen zum Ziel.
Nachhaltige Innovationen eröffnen neue Möglichkeitsräume
Dafür rücken sie den kompletten Produktlebenszyklus – vom Rohstoff bis zur Wiederverwertung – in den Fokus. Die Natur ist dabei oft wichtige Inspirationsquelle innovativen Produktdesigns. Hinter Ansätzen wie „Biomimicry“ oder „Biophilic Design“ wird beispielsweise, angelehnt an natürliche Analogien, an neuartigen Materialien und Raumkonzepten experimentiert. Ein Beispiel: Eine besonders reißfeste, dehnbare und leichte Seide – inspiriert von der natürlichen Beschaffenheit von Spinnenfäden.
Idealerweise beziehen nachhaltige Innovatoren zudem eine Vielzahl von Stakeholdern in den Innovationsprozess mit ein. Der Nutzen für den Endverbraucher ist weiterhin zentral, wird aber angereichert um Perspektiven und die Kooperation mit weiteren Akteuren. Ziel ist, Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen – nicht nur für den Endverbraucher. Die Kooperation von adidas mit der NGO Parley, die gemeinsam Sneaker und Beachwear aus Ozeanplastik entwickeln, ist ein prominentes Beispiel.
Schlüssel nachhaltiger Innovationsprozesse sind die interdisziplinäre und kollaborative Zusammenarbeit der Beteiligten – nicht zuletzt über kreative Methoden wie z.B. Design Thinking.
Dass dieser Ansatz nicht nur von Social StartUps sondern auch von großen Unternehmen umgesetzt werden kann, zeigt z.B. die DAW SE. Seit mehreren Jahren tauscht sie sich bei ihren interaktiven Innovationsdialogen mit unterschiedlichsten Stakeholdern aus.
Nachhaltige Innovationen als kreative Bereicherung
Bunten Post-Its und spielerischen Innovationstools zum Trotz: Nachhaltigkeit besticht durch komplexe Wirkzusammenhänge. Diese gilt es bei nachhaltigen Innovationsprozessen von Anfang an mitzudenken: Die Interdependenzen zwischen einzelnen SDGs und ihren Unterzielen gilt es beispielsweise ebenso zu beachten wie vermeintlich einfache Nachhaltigkeitslösungen zu hinterfragen. So kann die bloße Substitution einzelner Ressourcen, wie am Beispiel Elektromobilität und der Herausforderung rund um nachhaltige Ladebatterien zu beobachten, nicht nur neue Produkte, sondern auch neue Probleme mit sich bringen.
„Was denkbar ist, ist auch möglich.“
Interdisziplinäres Arbeiten in diversen Teams ist außerdem zumindest anfänglich anstrengender, Kreativität nicht auf Knopfdruck zu haben. Experimentierfreude kann nur erfolgreich sein, wenn Scheitern möglich ist, neuartigen Arbeitsstrukturen und -werkzeuge wirklich gewollt sowie aktiv Kapazitäten hierfür freigestellt werden.
Schließlich können und sollen nachhaltige Innovationen keine Gesetze oder politische Rahmenbedingungen ersetzen. Hier liegt der Verantwortungsbereich klar auf der politischen Ebene.
Innerhalb des gesetzten rechtsstaatlichen Rahmens sowie im jeweiligen Unternehmensumfeld eröffnen nachhaltige Innovationen jedoch neue Optionen. Ganz nach dem Motto „Was denkbar ist, ist auch möglich“. Die globalen Herausforderungen unserer Zeit und die SDGs liefern dafür eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten.
Gleichzeit erzeugen sie die Hoffnung, dass eine Abgrenzung von Innovation und Nachhaltigkeit zukünftig nicht mehr nötig, sondern jeder Innovationsprozess – nicht zuletzt, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein – Nachhaltigkeitsaspekte integriert. Oder um es mit Johan Röckström zu sagen „We can build a safe and just world. We just really really have to get on with it. And do it.“