Wenn wir unseren Planeten aus dem All betrachten, ist er vor allem blau – zu ganzen 70 Prozent ist unsere Erde mit Wasser bedeckt. Allerdings ist nur ein Prozent davon Trinkwasser und das wiederum ist ungleich verteilt: vielerorts ist es knapp oder verschmutzt, andernorts sorgen Wassermassen durch Überschwemmungen für Chaos. Dabei könnte die Lösung für die globale Wasserkrise in der Natur selbst liegen. Folgt man dem Ansatz naturbasierter Lösungen (NBS) müssen wir die Natur wieder stärker in unser Wassermanagement einbeziehen. Wie sehen Ansätze aus, die sich die Natur zum Vorbild nehmen und inwiefern kommen „grüne“ Lösungen für die Wasserversorgung heute schon zum Einsatz?
Herausforderungen der weltweiten Wasserversorgung
In ihrem diesjährigen Weltwasserbericht 2018 geht die UNO davon aus, dass rund die Hälfte der Weltbevölkerung im Jahr 2050 von mangelnder Wasserversorgung betroffen sein könnte. Dabei wäre genug Wasser für alle da. Wäre da nicht die räumliche und zeitliche ungleiche Verteilung sowie der steigende Wasserverbrauch für die Produktion von Nahrungsmitteln und Konsumgütern. Über 3,5 Milliarden Menschen weltweit leben in Regionen, in denen jährlich mindestens einen Monat Wasserknappheit herrscht. Der Klimawandel und damit einhergehende Wetterextreme verschärfen die Situation. Neben Dürren haben Menschen zunehmend auch mit Überschwemmungen zu kämpfen.
Aber auch die Wasserverschmutzung gerade in den Flüssen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist ein wachsendes Problem. Über schlechte Abwassersysteme und durch steigende Bevölkerungszahlen gelangen immer mehr Chemikalien, Krankheitserreger und Schadstoffe ins Wasser. Weltweit sind folglich immer aufwendigere technische Verfahren notwendig, um schädliche Stoffe aus dem Abwasser zu entfernen.
In Deutschland, einem der wasserreicheren Länder der Welt, ist von der globalen Wasserkrise noch wenig zu spüren. Die Ursachen sind aber auch hierzulande zu finden: Rund 120 Liter verbrauchen wir im Schnitt pro Tag, wobei unser direkter Wasserverbrauch laut Bundesumweltministerium seit mehr als 15 Jahren sinkt. Beziehen wir das sogenannte „virtuelle Wasser“ mit ein, also das Wasser, das für die Produktion unserer Konsumgüter benötigt wird, verbrauchen wir täglich über 5.000 Liter oder rund 25 Badewannen Wasser, ohne dass wir überhaupt den Wasserhahn aufdrehen.
Mit der Natur – nicht gegen sie
Mit unserem zunehmenden Wasserbedarf und der -verschmutzung fordern wir unsere Umwelt heraus. Denn anstatt sie zu stärken, entziehen wir ihr zunehmend Möglichkeiten, den weltweiten Wasserkreislauf aufrecht zu erhalten. Ein Großteil von Wäldern und Böden ist durch menschliche Übernutzung geschädigt. Der steigende Flächenbedarf für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke führt dazu, dass jedes Jahr rund 76.000 Quadratkilometer Wald weltweit abgeholzt werden. Das sind rund 20 Fußballfelder pro Minute. Außerdem stehen Wälder durch Luftschadstoffe aus Autoabgasen und Stickstoffen aus der Landwirtschaft zunehmend unter Stress. In der Folge können Waldböden ihre Funktion als Filter und Wasserspeicher nicht mehr erfüllen. Zusätzlich gibt es durch die zunehmende Verstädterung immer weniger Brachflächen. Wichtige Bodenfunktionen, vor allem die Wasserdurchlässigkeit, gehen durch die Flächenversiegelung verloren. Die Häufigkeit und Ausmaße von Überschwemmungen nehmen zu. Daneben sind die natürlichen Feuchtgebiete, die ein grundlegender Teil des Wasserkreislaufs sind, in den letzten 100 Jahren bis zu 70 Prozent zerstört worden. In der Folge verdunstet Wasser schneller, in den Böden kann weniger gespeichert werden.
Zusammen mit der Natur statt gegen sie arbeiten
Die Natur spielt für die Regulierung der Wassermassen und die Wasserreinigung eine einzigartige Rolle. Zusammen mit der Natur statt gegen sie zu arbeiten, dieser Logik folgen naturbasierte Lösungen (NBS). Als solche werden Wasserwirtschaftsformen bezeichnet, die sich entweder direkt natürlicher Systeme bedienen oder sie kopieren und für menschliche Zwecke einsetzen. Darunter fallen beispielsweise die Renaturierung von Ökosystemen, die Begrünung von Städten oder auch die Errichtung künstlicher Feuchtgebiete und Wasserrückhaltebecken. Die positiven Effekte der genannten Maßnahmen sind meist vielseitige: sie führen zur Verminderung von Treibhausgasemissionen, bieten Lebensraum für zahlreiche Tier-und Pflanzenarten und schützen vor Hochwasserschäden.
Infrastruktur für grüne Lösungen
Obwohl naturbasierte Lösungen vielfach Vorteile für Mensch und Umwelt mit sich bringen, werden sie bisher noch wenig eingesetzt. Tatsächlich machen sie derzeit weniger als ein Prozent der Investitionen in Wasserinfrastruktur und -management aus. Sie werden im Vergleich zu konventionellen „grauen“ Lösungen als weniger sichtbar und effizient wahrgenommen. Es sind also entsprechende Rahmenbedingungen nötig, um die Nutzung von NBS zu fördern.
Ein entscheidender Faktor ist die Neuausrichtung finanzieller Mittel: Investitionen in grüne Infrastrukturen müssen mobilisiert und effektiver genutzt werden. Um das Vertrauen von Investoren in grüne Lösungen zu stärken, muss ein regulatorisches und rechtliches Umfeld geschaffen werden, das nicht nur konventionelle Wasserwirtschaftssysteme begünstigt, sondern auch die Umsetzung von grünen Lösungen fördert. Bisher werden Investitionen aus Unsicherheit hauptsächlich in graue Wasserinfrastruktur getätigt. So kann die Schaffung eines nationalen Rechtsrahmens zur Regulierung und Überwachung von Investitionen in NBS grüne Investitionen fördern. Denkbar sind auch steuerliche Anreize, um die Investitionslücke zu schließen.
Hinzu kommt, dass es oft auf allen Ebenen – von Gemeinden über Stadtplaner bis hin zu nationalen Entscheidungsträgern – an Wissen und Vorstellungsvermögen für die Integration von grünen Lösungen in die bestehende Wasserinfrastruktur aus Leitungen, Kanälen oder Wasserspeichern fehlt. Nach wie vor ist vielen nicht klar, was naturbasierte Lösungen überhaupt sind und wie sie funktionieren. Welche hydrologischen Funktionen natürliche Ökosysteme, wie Feucht- oder Überschwemmungsgebiete übernehmen, ist Entscheidungsträgern oft wenig bekannt. Es mangelt an Wissen, technischen Leitfäden, Instrumenten und Ansätzen, um bei Planungen die richtige Mischung aus grünen und grauen Optionen zu bestimmen und dadurch eine nachhaltige Wasserinfrastruktur zu schaffen. Hier ist die Forschung gefragt: Fundierte Erkenntnisse über Wirkungen, Nutzen und Kosten, aber auch der Einbezug von traditionellem Vor-Ort-Wissen über die Funktionsweisen von Ökosystemen sind entscheidende Faktoren, damit NBS neben konventionellen Lösungen Anwendung finden.
China setzt auf Schwammstädte
Ein Land, das naturbasierte Lösungen bereits großflächig umsetzt, ist China. Von immer stärkeren Überschwemmungen und zunehmender Wasserknappheit geplagt, startete die chinesische Regierung 2015 das sogenannte „Schwammstadt-Programm“. In bisher 30 Städten sollen Wohnanlagen und Bezirke mit Speichern, Filtrationsbecken und Feuchtgebieten entwickelt sowie Straßen und Gehwege mit wasserdurchlässigen Belägen ausgestattet werden. Die chinesische Regierung hofft mit ihrer Initiative nicht nur zunehmende Überschwemmungen zu reduzieren, sondern auch der Wasserverknappung entgegenzuwirken. Die Städte sollen – ähnlich wie Schwämme – bis zu 80 Prozent des Regenwassers in sich aufnehmen, speichern und bei Bedarf verzögert wieder abgeben. Mindestens 70 Prozent des gespeicherten Regenwassers sollen anschließend wiederverwendet werden.
Das chinesische Konzept dient auch der Stadt Berlin als Vorbild. Als Folge von Starkregen, zu wenig Verdunstungsfläche und einer überlasteten Kanalisation versank die Stadt im vergangenen Sommer stellenweise in den Wassermassen. So haben die Berliner Wasserbetriebe angefangen unterirdische Systeme zu schaffen, um überschüssiges Wasser festzuhalten. Das Wasser wird unter die Erde geleitet und in Kiespackungen oder Kunststoffkästen zwischengespeichert, bevor es über die Kanalisation zu den Klärwerken gelangt. Ein weiteres Beispiel für das Prinzip Schwammstadt ist die Hamburger Gründachstrategie: Begrünte Dächer tragen nicht nur dazu bei, dass Regenwasser langsamer abfließt, sondern schwächen auch Hitzewellen ab. Im Gegensatz zu asphaltierten und betonierten Flächen kühlen Pflanzen und nicht versiegelte Böden die Stadt dank einer hohen Verdunstungsrate.
Für Städte bietet das Schwammstadt-Konzept neue Chancen für ein nachhaltiges Wassermanagement. Darüber hinaus können über Wiederaufforstung, die Renaturierung von Feuchtgebieten oder die gezielte Grundwasseranreicherung die Probleme bei der Wasserbewirtschaftung bekämpft werden. Auch wenn sie die graue Wasserinfrastruktur nicht vollständig ersetzen können, sollten naturbasierte Lösungen für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser in Zukunft mitgedacht werden.