GRI-Konferenz: Are we making a difference?

Die Frage, was Nachhaltigkeitsreporting bewirken kann, und die Hoffnung, mehr Transparenz möge zu nachhaltigeren Entscheidungen in Wirtschaft und Politik führen, prägten die 5. internationale Konferenz der Global Reporting Initiative (GRI) in Amsterdam. Sie führte unter dem Motto „Empowering Sustainable Decisions“ vergangene Woche 1.200 Teilnehmer aus über 70 Ländern der Welt zusammen. Themen waren Zukunftstrends, Datentechnologien, die Global Goals und die Transformation der GRI-Leitlinien in Standards. Sabine Braun und Thomas Melde von akzente berichten.
Wer wie wir nach der Ankunft am Hauptbahnhof zuerst die Ausstellung „World Press Photo 2016“ in der Amsterdamer Nieuwe Kerk besucht hatte, war auf einen skeptischen Blick eingestimmt. Dort sah man die besten Pressefotos des vergangenen Jahres und damit vor allem Bilder der Flüchtlingsströme, des Elends in Kohleminen und schwindender Eismassen in Grönland. Bei der GRI-Konferenz waren diese Entwicklungen freilich keine zentralen Referenzpunkte. Auch wenn Nelmara Arbex von der GRI betonte, dass eine nachhaltige Zukunft der einzige Grund sei, warum die GRI überhaupt existiere. Sie setzt dabei auch auf das neue Denken der jungen Generation: „It‘s not only about money, it‘s about humanity.“

Reportingtrends der Zukunft
Arbex stellte die Reportingtrends der Zukunft dar, wofür die GRI unter dem Motto „Sustainability 2025“ zahlreiche Experten befragt hatte. Als die drei großen globalen Entwicklungen gelten demnach die wachsende Weltbevölkerung, der Klimawandel und die Digitalisierung. Daraus leiten sich wiederum 14 Hauptherausforderungen für die Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft ab. Dies alles ist nachzulesen in der Präsentation The Next Era of Corporate Disclosure. Was sich im Reporting ändern werde? 1. Neue Formate: Echtzeitdaten und Teilen der Inhalte mit anderen über Plattformen; 2. Veränderte Rolle der Stakeholder: durch bessere Informationen können sie sich besser einbringen; 3. Neuer Content: Fokussierung auf Herausforderungen und die Lieferkette.

Transparent warum?
Nach 20 Jahren GRI gab es natürlich viel (Eigen)Lob, zumal inzwischen zahlreiche Länder, Börsen, Pensionsfonds und Investmentgesellschaften in ihren Gesetzen oder Bestimmungen auf die GRI referenzieren. Gleichwohl wirkte die Aussage, die GRI sei nie relevanter gewesen als heute, wie das Pfeifen im Walde. Denn Bedeutung und Wirkung von umfangreichen Nachhaltigkeitsberichten werden inzwischen vermehrt in Frage gestellt. Michael Meehan, seit 2014 Chef der GRI, bemühte deshalb den Vergleich mit den dicken Telefonbüchern des letzten Jahrhunderts: Die darin enthaltenen Daten seien weiterhin relevant, geändert habe sich lediglich das Kommunikationsformat. Dennoch stellte er sich der Frage: Was ist zu berichten, wie und für wen? Und konzediert, dass zu viele Standards und Normen eine Komplexität geschaffen hätten, die Reporting zum Teil des Problems und nicht der Lösung mache. Offene Plattformen mit relevanten Daten und mehr Kollaboration der Akteure – von Unternehmen über Politik bis hin zu NGO – sind für ihn der erste Schritt zur Transparenz der Zukunft. Die Gründer der GRI, die eingangs ebenfalls zu Wort kamen, erhoffen sich von Big Data sogar den entscheidenden Schwung dafür, dass Transparenz relevant und Basis für die Entscheidungsfindung werde. Und sie setzen dabei, wie schon in den Anfangszeiten der GRI, vor allem auf die Investment Community, was – trotz allen Engagements institutioneller Investoren – nicht mehr recht überzeugen kann.

Transparent wie?
Big Data, Datenverarbeitung und Echtzeitdaten waren ein beherrschendes Thema. Dass 44 Prozent der Konferenzteilnehmer davon ausgehen, dass ihr Sustainability Reporting in 15 Jahren ein „Real Time Management Tool“ ist, dürfte trotzdem mehr Wunsch sein als Wirklichkeit werden. Doch schien vielen Gesprächspartnern und Referenten die Datenrevolution nun die „Silver Bullet“, die das Reporting endlich relevant macht für Entscheidungen in Vorstandsetagen, Finanzmärkten und Online-Shops. Die GRI fördert die Entwicklung mit ihrer Digital Reporting Alliance, die eine technische Infrastruktur für digitales Reporting schaffen soll, die auf der eXtensible Business Reporting Language (XBRL) Taxonomie beruht und eine digitale Plattform für Nachhaltigkeitsberichte schafft. Dort sollen dann die verfügbaren Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen und Regierungen zusammengeführt und für neue Lösungen nutzbar gemacht werden. Welche Herausforderungen auf dem Weg noch zu bewältigen sind, machte die Diskussion mit den Chefstatistikern der Vereinten Nationen, einiger europäischer und asiatischer Länder deutlich: Stand heute lassen sich mit den vorhandenen Daten bestenfalls 60 Prozent der 230 vorgeschlagenen Indikatoren zur Messung der Sustainable Development Goals abbilden – wobei nicht davon ausgegangen werden darf, dass diese Daten international einheitlich geschweige denn vergleichbar erfasst werden.

Relevant für wen?
Dass die GRI selbst relevante Zielgruppen nicht erreicht, zeigte die Liste der Konferenzsponsoren: Der italienische Energiekonzern Enel hat den Löwenanteil beigetragen, Unternehmen der New Economy fehlen ganz. Der GRI ist daraus kein Vorwurf zu machen. Angesichts der die Konferenz doch sehr beherrschenden Diskussion um die neuen Möglichkeiten der Datenverarbeitung mögen manche sogar froh gewesen sein, dass die Datenkraken hier nicht vertreten waren. Doch spätestens bei der Diskussion um die Sustainable Development Goals – The Global Goals, wie sie inzwischen heißen – war klar, dass eine nachhaltige Entwicklung nur gelingen kann, wenn alle großen Unternehmen mitmachen. Schon heute stehen die 1.000 größten Unternehmen der Welt für 50 Prozent des Weltbruttosozialprodukts, und dieser Anteil wird eher steigen.
Hier setzte einer der inspirierendsten Vorträge der gesamten Konferenz an: Ernesto Ciorra, Chief Innovation Officer des italienischen Energiekonzerns Enel, beschrieb, wie man sich das Ziel Klimaschutz herausgegriffen hat, um Innovationen hervorzubringen, die einen Wert für die Gesellschaft und für das Unternehmen schaffen. Mit Blick auf die Zukunft und die Herausforderungen des Klimawandels sowie einer wachsenden Weltbevölkerung betonte er: „We are not sustainable unless we innovate“. Und er betonte auch, dass man für Innovationen „nachhaltig“ denken müsse. Das heißt, auf Kooperationen setzen, Stakeholder einbeziehen, die Bedürfnisse der Gesellschaft ernst nehmen. Sein Fazit: Es gehe nicht darum, Nachhaltigkeit ins Geschäft zu integrieren, Nachhaltigkeit selbst sei das Geschäft.

Mit welcher Wirkung?
Nun hat Ernesto Ciorra sich nicht direkt geäußert, wie und was Nachhaltigkeitsreporting zur Transformation von Enel beiträgt. Sicher ist, dass Enel mit einem umfassenden Nachhaltigkeitsbericht eine gute Basis geschaffen hat, um sich vom ersten Schritt „Do not harm“ zum nächsten Level „Creating Value“ aufzuschwingen. Hier ist der Nutzen dank tatsächlicher Innovationen für mehr Nachhaltigkeit dann endlich für alle sichtbar. Doch auch der erste Schritt sollte in seiner Bedeutung weiterhin nicht unterschätzt werden, wie viele betonten. Nicht nur, weil rund um den Globus noch viel zu viel Kinderarbeit, Sklavenarbeit und menschenunwürdige Arbeit geleistet werde, sondern auch weil das Bewusstsein, anderen gegenüber rechenschaftspflichtig zu sein, der erste Schritt sei, sie ernst zu nehmen, sie einzubeziehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Trotz aller Skepsis, was Nachhaltigkeitsreporting bewirken kann, ist Transparenz eben doch ein, wenn nicht „der“ erste Schritt auf dem Weg zum Handeln. Und bei allen Klagen über die Komplexität und die mangelnde Wirkung des Reportings muss man doch konstatieren, dass es in den Unternehmen zu einer veränderten Sichtweise führt, ohne die eine Unterstützung beispielsweise der Global Goals nicht denkbar ist. Die Diskussionen mit den Vertretern aus Argentinien, Indien und vielen anderen Ländern zeigten auch, dass anhand der GRI-Leitlinien eine globale Debatte darüber geführt wird, was nachhaltiges Wirtschaften ausmacht. Mit der Verknüpfung zum Reporting sowie dank der Transparenzanforderungen von Finanzakteuren, die ein wichtiger Treiber sind und bleiben, ist die GRI auch lebendiger und wirksamer als die ISO 26000.

GRI: What’s next?
Insofern ist es nur logisch, dass die GRI ihre Leitlinien nun in „Standards“ umbenennt – mit welchen Konsequenzen ist noch offen oder nur zu ahnen. Denn: kein Standard ohne Prüfung. Es darf darüber spekuliert werden, ob sich hier eine weitere Institutionalisierung oder gar eine Fusion mit der ISO anbahnt. Deutlich genug geworden ist bei der Konferenz immerhin, dass die GRI eine „neue Selbstbestimmung“ jenseits des reinen Reportingframeworks sucht. Wie sieht nun aber die Überführung in Standards aus, die vom Global Sustainability Standards Board der GRI beschlossen wurde?
Inhaltliche Änderungen wird es nur wenige geben, zu neu ist noch das Update auf GRI G4. Es geht vor allem um einen modularen Aufbau, der künftig die Revision einzelner Elemente sowie die Ergänzung spezifischer Aspekte ermöglichen soll. So werden beispielsweise die General Disclosures als eigener Standard (SRS 201) veröffentlicht werden. Bei der großen redaktionellen Überarbeitung, die derzeit stattfindet, werden auch allfällige Unstimmigkeiten und kleinere Fehlentscheidungen ausgebügelt. So werden manche Aspekte besser gebündelt, andere – wie der ominöse Aspekt „Overall“ – woanders „reingeschoben“ und Begrifflichkeiten vereinheitlicht. Der GRI-Index darf wieder freier gestaltet werden, und die Sector Disclosures sind nicht länger verpflichtend. Außerdem wird es einige Umbenennungen geben, so werden beispielsweise die „Aspects“ künftig „Topics“ heißen und aus „Indicator“ wird „Disclosure“. Die Veröffentlichung der Sustainability Reporting Standards (SRS) ist für Oktober 2016 geplant, ab Januar 2018 sollen sich die Berichte danach ausrichten.

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