Am 11. Januar 2021 hat das European Corporate Reporting Lab seine Überlegungen zur Gestaltung europäischer Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit veröffentlicht und anschließend mehrere Anhörungen in den Mitgliedsstaaten durchgeführt. Das Lab wurde im Zuge der Sustainable Finance-Strategie der Europäischen Kommission gegründet. In diesem Rahmen geht es auch um die Novellierung der CSR-Richtlinie (Non-Financial Reporting Directive, NFDR), die in Deutschland in Form des CSR-RUG (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) angewendet wird.
Empfehlungen für konkrete Vorgaben in der Berichterstattung
Zu den Zielen der Kommission gehört es, für die nichtfinanzielle Berichterstattung konkretere Vorgaben zu machen als bisher. Dem könnten die noch zu erstellenden Berichtsstandards dienen. Für deren Ausgestaltung wird unter anderem Folgendes empfohlen:
Prinzipienbasiertes Berichtssystem
Als ein übergreifender Grundsatz wird ein prinzipienbasiertes Berichtssystem vorgeschlagen. Denn der prinzipienbasierte Ansatz, so die Argumentation, passe besser zum europäischen Rechtssystem als strikte Vorgaben. Allerdings soll es klare Anleitungen geben, wie die Prinzipien anzuwenden sind und was gegebenenfalls zu berichten ist.
Kein Fokus auf eine Zielgruppe
Als zweiter übergreifender Grundsatz wird Inklusivität genannt. Die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit soll sich an ein breites Spektrum von Stakeholdern richten – also nicht nur auf eine einzelne Zielgruppe wie etwa Investoren ausgerichtet sein. Das ist insbesondere mit Blick auf das Verständnis von Wesentlichkeit bedeutsam.
Abkehr von der doppelten Wesentlichkeit
Die derzeitige EU-Richtlinie für die nichtfinanzielle Berichterstattung enthält sowohl ein finanzielles wie auch ein nachhaltigkeitsbezogenes Wesentlichkeitsverständnis. Diese Wesentlichkeitsansätze sollen zukünftig additiv angewendet werden. Das ist eine klare Abkehr von dem aktuell in Deutschland mit dem CSR-RUG geltenden Konzept, nur die Schnittmenge aus finanzieller und nachhaltigkeitsbezogener Wesentlichkeit als Gegenstand der nichtfinanziellen Erklärung zu verstehen.
Koexistenz von Finanz- und Nachhaltigkeitsreporting
Eine konsistente und ganzheitliche Unternehmensberichterstattung sollte gemäß den Empfehlungen des Labs auf zwei gleichberechtigten Säulen beruhen: der Finanzberichterstattung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zugleich sei es zentral, in den jeweiligen Berichten die bestehenden Bezüge zwischen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Angaben systematisch aufzuzeigen. Außerdem soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung einen eigenen Abschnitt im Lagebericht erhalten.
Vorgabe von Pflichtinhalten
Für die EU-Berichtsstandards wird ein System aus übergreifenden und branchenspezifischen Standards empfohlen. Dort sollen auch klare Vorgaben an Pflichtinhalte enthalten sein. Darüber hinaus sollen Unternehmen unter Verwendung von womöglich stringent vorgegebenen Wesentlichkeitsabwägungen bestimmen, welche weiteren Angaben für sie relevant sind.
Diskussion thematisiert internationale Entwicklung
An der Diskussion zu Empfehlungen mit deutschen Stakeholdern am 18. Januar 2021 waren u. a. Vertreter:innen von econsense, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Germanwatch, Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), Umweltbundesamt (UBA) sowie von Unternehmen und Hochschulen beteiligt.
Die Beteiligten wiesen wiederholt auf das derzeitige Momentum im Bereich Reporting und die parallelen internationalen Entwicklungen hin. Dazu gehören der Zusammenschluss von SASB (Sustainability Accounting Standards Board) und IIRC (International Integrated Reporting Council) sowie das Vorhaben der IFRS (International Financial Reporting Standards Foundation), international gültige Berichtsstandards zur Nachhaltigkeit zu entwickeln (eine vollständige Übersicht findet sich im akzente-Trendmonitor 2021 auf Seite 8).
Unser Fazit
Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die EU in Sachen Standardisierung und Verbindlichkeit wirklich einen zügigen Schritt nach vorne machen kann oder ob die internationale Entwicklung sie dabei nicht überholen wird? Zwar ist die EU-Kommission derzeit zwar rasch unterwegs und lässt bereits Konzepte ausarbeiten, bevor die politischen Entscheidungen gefallen sind. Doch der angedachte Umbau der EFRAG zum Standardsetzer und die Erarbeitung der eigentlichen Standards könnten länger dauern als in der aktuellen Aufbruchsstimmung vermutet.
Auf jeden Fall ist man sich aber einig, dass der Begriff „nichtfinanziell“ aus dem Sprachgebrauch verschwinden und künftig einheitlich von „nachhaltig“ gesprochen werden soll – zumal es zunehmend mehr Nachhaltigkeitsthemen gibt, die von strategischer Bedeutung sind (siehe TCFD).
Ausblick
Die verschiedenen Anhörungen in den Mitgliedsstaaten werden auf dem YouTube-Kanal der EFRAG veröffentlicht. Für März 2021 ist ein ausführlicher Abschlussbericht angekündigt. Bis dahin will die Kommission den angekündigten Entwurf für die neue Berichts-Richtlinie veröffentlichen. Informationen zum aktuellen Stand der Arbeiten finden sich hier.
Über aktuelle Entwicklungen der CSR-Berichtspflicht und die Sustainable Finance-Strategie der EU informieren wir auch regelmäßig auf www.csr-berichtspflicht.de
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