CSR, die unternehmerische Verantwortung für Umwelt, Mitarbeiter und Gesellschaft, ist Mainstream geworden. Eine Berichtspflicht suggeriert höchste Bedeutung, CSR-Seminare boomen. Tatsächlich aber befindet sich das Thema CSR im Niedergang. Was bleibt, ist Nachhaltigkeit. Ein Kommentar von Sabine Braun.
CSR (Corporate Social Responsibility) ist ‚durch‘. Auf der klassischen Lebenskurve der Themen – von Emerging Issues über Expansion und Dominanz bis hin zur Dethematisierung bzw. Regulierung – steht das Thema auf dem ‚absteigenden Ast‘. Zumindest hat ein Artikel zu Beratungsmoden und -methoden im jüngsten Harvard Business Manager es so verortet. Mich persönlich wundert das nicht. Schon lange frage ich mich, wie viele auf diesem Schiff noch segeln wollen, das längst Schlagseite hat. Sobald nämlich Regulierung eintritt, wie 2014 mit der europäischen Richtlinie zur CSR-Berichtspflicht geschehen, werden Themen von der Unternehmensadministration aufgesogen und Beratungsleistungen zur Commodity – eine Niedergangsphase, die „durch einsetzende Ernüchterung“ gekennzeichnet ist, wie die Autoren im Harvard Business Manager schreiben.
Das von vielen Unternehmen seit Anfang der 2000er Jahre mit großer Empathie aufgegriffene Konzept CSR ist inzwischen reguliert und hat in der Tat auch keine Strahlkraft mehr – egal wie sehr es nun in die Breite getrieben wird. Es sollte maßgeblich zur Umsetzung der Lissabon-Agenda beitragen und die Europäische Union zu einem starken und fairen Wirtschaftsraum machen. Doch die Euphorie seitens der Wirtschaft ist vorbei. Und die Politik setzt eher wenig begeistert auf Regulierung oder freiwillige Selbstverpflichtungen wie das deutsche Textilbündnis. Leider. Dabei gab es viele positive Entwicklungen. Umso wichtiger ist nun die Rückbesinnung auf Nachhaltigkeit. Denn das, liebe Autoren des Harvard Business Manager, ist keine Mode!
Nachhaltigkeit ist ein tragfähiges Konzept
Das Leitbild Nachhaltigkeit war und ist mehr als ein politisches Konzept – und hat 2015 mit den globalen Zielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) neuen Auftrieb bekommen. Es beschreibt bis heute eine Haltung jenseits eines auf das eigene Handeln eingeschränkten Verständnisses gesellschaftlicher Verantwortung (Corporate Social Resonsibility, CSR). Und so erleben wir auch im Wording der Unternehmen eine Renaissance des Begriffs Nachhaltigkeit, der lange eher verpönt war, weil er Endlichkeit aufzeigte und – ach, wie langweilig – so sehr an die Umweltschutzdebatte Ende der 1980er Jahre erinnerte.
CSR galt mit dem langsamen Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft nach 2001 als ‚flockiges‘ Konzept, um an die damals sehr beliebten angelsächsischen Trends und Gebräuche anzuknüpfen und jenseits aller Regulierung eine gesellschaftlich anerkannte Reputationspflege zu betreiben. Inzwischen sind aber fast alle Unternehmen wieder auf Nachhaltigkeit ‚eingeschwenkt‘. Zu groß und auch zu geschäftsrelevant geworden sind die Herausforderungen, beispielsweise eine klimaneutrale Energieversorgung oder neue Mobilitätskonzepte zu entwickeln, als dass dies noch unter ‚gesellschaftliche Verantwortung‘ fallen könnte. Jetzt geht es wirklich um eine Strategie für die Zukunft.
So rückt die Frage, welche Geschäftsmodelle im Einklang mit Umwelt und Gesellschaft dauerhaft erfolgreich sein können, noch mehr in den Vordergrund. Und sie übertrumpft längst die oft wohlfeilen Projekte einer gesellschaftlichen Verantwortung, die sich nur am Status quo orientiert. Wobei eines dennoch ganz deutlich zu sagen, ja zu fordern ist: Selbst Unternehmen, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell und eine verantwortungsbewusst gestaltete Wertschöpfungskette haben, sind von einer gewissen gesellschaftlichen Verantwortung jenseits von Gesetzen oder geschäftlichen Chancen nicht entbunden. Wie sonst kann eine Gesellschaft mit Herausforderungen wie beispielsweise der Flüchtlingswelle umgehen?
Digitalisierung braucht Nachhaltigkeit
Kommen wir noch einmal auf den oben erwähnten Artikel im Harvard Business Manager zurück. Er trägt den Titel „Sog der Technik“ und wirft Themen unterschiedlicher Kategorien wie CSR, Risikomanagement, digitale Transformation, Mobility und disruptive Geschäftsmodelle in einen Topf. Das ist ziemlich oberflächlich. Aber sei’s drum. Auf der Liste der ‚Emerging Issues‘ nennt der Artikel Themen wie Urbanisierung und Mobilität – sprich, neue Geschäftsfelder, die durch die Digitalisierung einen deutlichen Entwicklungsschub erfahren haben. Als ziemlich sicher gelten kann, dass in diesen Bereichen nur Konzepte reüssieren werden, die auch auf eine Minderung des Energie- und Materialverbrauchs abzielen. Zumindest die ökologische Nachhaltigkeit dürfte schon heute ein Grundprinzip neuer Geschäftsmodelle sein. Damit diese dann aber wirklich tragfähig sind, bedarf es freilich auch der sozial-gesellschaftlichen Perspektive.
Diese einzubringen könnte eine ‚neue‘ Aufgabe der Nachhaltigkeitsmanager in den Unternehmen sein. Leider strecken viele angesichts der Digitalisierung die Waffen, weil sie sich überrollt und ausgebootet fühlen. Zu tun gäbe es aber genug für sie. Denn damit der digitale Wandel im Interesse einer dauerhaft tragfähigen Entwicklung wirklich – und nicht nur technisch – gelingt, muss er an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ausgerichtet sein, als da wären
– offene Innovation unter Einbeziehung der Stakeholder,
– demokratische Entscheidungen über deren Einsatz und
– damit auch die Beherrschbarkeit der Technologien,
– keine Monopole oder Kartelle sowie
– unbedingte Reversibilität.
Ja, auch das ist Nachhaltigkeit! Warum so verzagt, wo es doch so viel zu tun gäbe, möchte man derzeit so manchen Nachhaltigkeitsmanager fragen. Digitalisierung mag als Entwicklung zwar weitaus mächtiger sein als einst die Globalisierung. Im Kern ist sie aber genau wie diese eine Entwicklung, die vordergründig mehr Risiken als Chancen birgt und nicht mehr zu bremsen ist. Nun gälte es, sie in guter Tradition zu gestalten: Ende der 1990er setzte der Global Compact der Vereinten Nationen ein Signal für eine verantwortungsbewusste Globalisierung und brachte damit das Thema Lieferkette auf die Agenda – eine Bewusstseinsbildung, die bis zum deutschen Textilbündnis führt. Warum sollte es mit der Digitalisierung nicht ähnlich verlaufen? „Mehr Mut!“ möchte man rufen. Den Weg zeigen seit 2015 die globalen Nachhaltigkeitsziele.