Eine Konferenz mit Signalwirkung

Die 26. Weltklimakonferenz in Glasgow ist zu Ende gegangen. Das Fazit von Experten reicht von „historisch“ bis „enttäuschend“. Was beschlossen wurde, was jetzt bleibt – und die Einschätzung von akzente-Geschäftsführerin Sabine Braun

Vom 31. Oktober bis 12. November saßen im schottischen Glasgow rund 40.000 Delegierte aus knapp 200 Ländern zusammen. Gastgeber Boris Johnson hatte bei der Eröffnung gerufen, das Treffen müsse „der Anfang vom Ende“ des zerstörerischen Klimawandels werden. Die Erwartungen waren hoch, die Demonstranten draußen laut. Und man hat sich auf eine Abschlusserklärung geeinigt. Der US-Klimabeauftragte John Kerry sagte, man sei näher dran als je zuvor, ein Klimachaos zu vermeiden. „Das hier ist gut.“ António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, war da wesentlich nüchterner. „Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.“ Und Greta Thunberg von Fridays for Future fasste das Ergebnis auf Twitter wie folgt zusammen: „Blah blah bla.“ Doch welche Ergebnisse gibt es konkret?

Klimaneutralität, Finanzhilfen, die Abkehr von Kohle und ein Veto

Stärker denn je ist in den Abschlussdokumenten formuliert, dass das 1,5-Grad-Limit schnelleres und entschiedeneres Handeln erfordert. Dies bleibt zwar weiter freiwillig, trotzdem: Man will schon bis 2022 statt erst bis 2025 unzureichende Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen, die jährliche Menge an freigesetztem CO2 soll bis 2030 um 45 Prozent sinken.

Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für den globalen Süden. Es geht darum, ärmere Länder dabei zu unterstützen, die Emissionen zu senken, Anpassungen an die Folgen des Klimawandels vorzunehmen und den Wiederaufbau von bereits Zerstörtem zu ermöglichen. Diese Gelder sollen bis 2025 auf 40 Milliarden US-Dollar verdoppelt werden. Zusagen finanzieller Hilfen sind bei einer Weltklimakonferenz nicht neu, aber nicht immer werden die Versprechen in entsprechender Höhe eingelöst. Neu ist aber, dass ein Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten durch Dürren, Hitzewellen oder Überschwemmungen eingerichtet werden soll.

Zudem gab es das Bekenntnis, sich weltweit aus der Kohleverbrennung zu verabschieden und „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen – allerdings ohne zu klären, was „ineffizient“ genau heißt. Zudem wurde der Passus kurz vor Schluss abgeschwächt. Das Veto? Kam von den weltweit größten Emittenten Indien und China. Statt „Ausstieg“ ist jetzt von „Abbau“ die Rede. Trotzdem: Es ist die erste Erwähnung von Kohle in einem der Abschlussdokumente der Konferenz. Und es ist nun klar, dass fossile Energien nicht zu einem 1,5-Grad-Ziel passen.

Dies zeigt sich auch darin, dass sich in den ersten Tagen der Konferenz 46 Staaten zum vollständigen Ausstieg aus der Kohlekraft verpflichtet haben, darunter auch kohleintensive Länder wie Polen, Vietnam oder Chile. Weitere große Verbrenner von Kohle wie Australien, die USA oder China, willigten nicht ein. Eine Reihe von Staaten sagte zu, nicht mehr in Kohle, Öl und Gas zu investieren – darunter mit etwas Verspätung auch Deutschland. Vereinbarungen wie diese abseits des großen Parketts gab es auf der COP26 viele.

Weitere Versprechen, Vereinbarungen und Initiativen

So haben sich mehr als 100 Länder verpflichtet, ihre klimaschädlichen Methan-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren, die durch Massentierhaltung oder Lecks an Pipelines und Gasanlagen entstehen – eine Initiative von US-Präsident Joe Biden. Mehr als 20 Länder und rund sechs Autohersteller wollen darauf hinarbeiten, nur noch emissionsfreie Autos zu verkaufen, spätestens ab 2040 – Deutschland hat diesen Pakt nicht unterzeichnet. Mehr als 140 Länder wollen bis 2030 die illegale Abholzung von Wäldern stoppen und somit verstärkt gegen Entwaldung kämpfen. Dieses Versprechen gab es allerdings schon 2014. Man wird sehen, was daraus wird. Immerhin haben sich dieses Mal mehr Länder beteiligt und sogar Brasilien ist dabei.

Die Finanzbranche zeigte, wie sie das Ziel Klimaneutralität bis 2050 angehen will: 450 der weltweit führenden Finanzinstitute beteiligen sich an der Initiative der Glasgow Finance Alliance for Net Zero mit Investitionen in Höhe von 100 Billionen US-Dollar über die nächsten 30 Jahre. So soll die Wende von fossilen Brennstoffen in Richtung klimaschonende Technologien eingeleitet werden.

Überraschungen und Schärfungen

Überraschend war die Klimaschutz-Kooperation zwischen den beiden größten Treibhausgasemittenten USA und China: John Kerry, Sonderbeauftragter für Klimaschutz für die USA und Xie Zhenhua, Klimagesandter für China, verkündeten, gemeinsam gegen Methanausstoß, Schutz von Wäldern und den Kohleausstieg kämpfen zu wollen. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, nannte UN-Generalsekretär António Guterres den Zusammenschluss. Viele Details blieben offen. Dass die beiden Großmächte in Bezug auf Klima zusammenarbeiten wollen, ist wohl der größte Wert dieses Pakts.

Ebenfalls überraschend war das Versprechen des indischen Präsidenten Narendra Modi, dass Indien bis 2030 die Hälfte seiner Elektrizität aus erneuerbaren Quellen gewinnen will. Als eines der weltgrößten CO2-Emittenten soll Indien aber erst 2070 netto null Emissionen erreichen – 20 Jahre später als von den Vereinten Nationen gefordert.

Schärfungen gab es auch: Während des Klimagipfels konnten einige offene Punkte des Regelbuchs für das Pariser Klimaabkommen geschlossen werden, das festlegt, wie Staaten ihre Klimadaten erheben, berechnen und anschließend berichten. In Bezug auf den Emissionshandel wurde geschärft, Schlupflöcher wie Doppelzählungen von eingesparten Tonnen CO2 oder Klimaschutz durch Nicht-Abholzung werden nicht mehr gebilligt.

Die echte Wirkung – und die Signalwirkung

Der Climate Action Tracker, ein Projekt vom New Climate Institute und Climate Analytics, prognostiziert: Setzen alle Staaten ihr Zusagen bis 2030 um, liegt die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts bei etwa 2,4 Grad. Es bleibt eine Lücke zu 1,5, Grad. Die gilt es nächstes Jahr zu schließen.

Bei all den Beschlüssen, Vorhaben und Initiativen wird jedoch klar: Klimapolitik ist im Mainstream angekommen. Sabine Braun, Geschäftsführerin bei akzente, wertet die Weltklimakonferenz positiv – vor allem in ihrer Signalwirkung: „Viele haben sich vom Klimagipfel mehr erwartet. Doch wer jetzt einen Abgesang auf den internationalen Klimaschutz anstimmt, verkennt die neue Dynamik, die das Thema bekommen hat.“ Es habe sich viel getan in den vergangenen beiden Jahren. „Die Wirtschaft steuert um. Unternehmen machen sich auf den Weg. Sie verändern ihre Prozesse und ihre Geschäftsmodelle.“ Natürlich erlebe man viele vollmundige Bekenntnisse, die erst noch einzulösen seien. Sorgen, dass hier keine Taten folgten, mache sie sich aber nicht, denn: „Ungenügender Klimaschutz wird zunehmend abgestraft.“ Die in erster Instanz erfolgreiche Klage gegen Shell wegen ungenügender Klimaschutzziele sei ein wichtiges Zeichen gewesen, auch die Abmahnung der Wettbewerbszentrale für die unzulässige Werbung mit dem Label „klimaneutral“. Sabine Braun ist sich sicher: „Niemand, kein Unternehmen, kein Staat und keine Privatperson, kann sich künftig der Einsicht entziehen, dass Lippenbekenntisse nicht reichen, sondern echtes Umdenken nötig ist.“

Bild: Mathias P.R. Reding | Unsplash

 

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