Kurz vor dem Jahreswechsel hat Deutschland die Präsidentschaft der G20 übernommen. Ihre Schwerpunkte legt die Bundesregierung auf „Stabilität sichern“, „Zukunftsfähigkeit verbessern“ und „Verantwortung übernehmen“. Mit diesen Themen soll auch die Umsetzung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung weiter vorangebracht werden, die die Weltgemeinschaft Ende 2015 beschlossen hat. Was hat sich bei deren Umsetzung bislang getan?
Als die Vereinten Nationen im September 2015 die Agenda für Nachhaltige Entwicklung verabschiedeten, deren Kern die 17 Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) sind, war der Elan groß. Der Wille war deutlich spürbar, endlich den Hunger in der Welt zu überwinden, Kinderarbeit und Diskriminierung zu beenden oder faire Produktionsketten zu schaffen. Die Bundesregierung hat daraufhin ihre 2001 eingeführte Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet und sie an den SDGs ausgerichtet. Dem Prinzip der Nachhaltigkeit, so Bundeskanzlerin Angela Merkel, solle jeder Einzelne in der Gesellschaft künftig wie einem Navigationsinstrument folgen. Damit macht sie klar: Die Verantwortung für die Umsetzung der Agenda liegt nicht nur bei der Politik. Auch die Beiträge der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft sind für den Erfolg entscheidend.
Nachhaltigkeit als politischer Grundsatz
Für die Minister im Kabinett gilt seither im Grundsatz: Alle Aktivitäten sollen einen Beitrag für eine nachhaltigere Gesellschaft leisten. Und jeder Minister sollte sich in seinem Ressort noch stärker als bisher für das Nachhaltigkeitsprinzip einsetzen. Besonders in Erscheinung getreten sind bislang der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, sowie seine Kollegin im Umweltministerium, Barbara Hendricks. Beide stehen bei Veranstaltungen gelegentlich nebeneinander und fordern energisch ein Umdenken in der Gesellschaft hin zu einem neuen, nachhaltigen Lebensstil. Dabei stehe der mündige Konsument ebenso in der Verantwortung wie ein Automobilhersteller oder ein Universitätsprofessor. Nur scheint noch nicht der richtige Hebel gefunden zu sein, wie man die Gesellschaft derart grundlegend umbauen kann.
Aktivitäten der Bundesregierung
Bereits im Juli letzten Jahres stellte die Bundesregierung in einem „High-Level Political Forum“ (HLPF) ihre ersten Schritte zur Umsetzung der Agenda 2030 in New York vor. Zu diesem Zeitpunkt konnte man auf die Integration der SDGs als neue Leitprinzipien der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verweisen. Allein die Indikatoren, um diese Entwicklungsziele zu messen, lagen noch nicht vor. Nach diesem Bericht des HLPF muss Deutschland nun Ergebnisse liefern und das wird nicht leicht werden.
Das Bundesumweltministerium hatte für den im Herbst 2016 vorgelegten Klimaschutzplan 2050 große Aufmerksamkeit bekommen, auch wenn er wegen fehlender Emissionsziele kritisiert wurde. An deren Streichung hatte offenbar das Wirtschaftsministerium großen Anteil. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 kaum erreichen kann. So zeigte eine Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland vor allem wegen des Straßenverkehrs im Jahr 2016 um vier Millionen auf rund 906 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zugenommen haben. Eine Prognose des Umweltbundesamts bestätigte die Ergebnisse der Studie.
Das Bundesentwicklungsministerium legte im Januar 2017 einen so genannten Marshallplan vor, der die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern neu beleben soll – als eine Partnerschaft für Entwicklung, so wie es das 17. SDG beschreibt. Afrika steht ohnehin im Rahmen der G20 oben auf der Tagesordnung. Nur ist der Beitrag, den der Marshallplan dazu leisten kann, noch nicht deutlich zu erkennen. Schließlich wurde er auch nicht in die Abstimmung mit anderen Ressorts gegeben. Somit bleibt unklar, ob er über die formulierten Ambitionen hinaus auch konkrete Veränderungen bewirken kann.
Beim Bundesforschungsministerium ist bereits seit einigen Jahren ein umfangreiches Vorhaben zur Forschung für nachhaltige Entwicklung (FONA) angesiedelt, in dessen Rahmen innovative Lösungen für zukünftiges Handeln erarbeitet werden. Die Schwerpunkte reichen von Biodiversität, Energie und Klima bis hin zu gesellschaftlichen Fragen. Die dritte Förderperiode hat 2015 begonnen. Es scheint, als werde hier geräuschlos im Hintergrund an der Agenda 2030 gearbeitet. Es bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse noch stärker an die Öffentlichkeit gelangen.
SDG-Index und Länder-Dashboards
NGOs und Stiftungen engagieren sich mit ganz unterschiedlichen Vorhaben für die Agenda 2030. Sie erarbeiten Positionen, beraten Entscheidungsträger oder setzen konkrete Projekte um. So haben die Bertelsmann Stiftung und das Sustainable Development Solutions Network (SDSN) unter Vorsitz von Jeffrey Sachs einen inoffiziellen SDG-Index und Länder-Dashboards für die nachhaltigen Entwicklungsziele entwickelt und im Juli 2016 erstmals veröffentlicht. Der SDG-Index stuft Länder nach ihrer Ausgangssituation hinsichtlich der 17 SDGs ein. Dabei bezieht er sich auf veröffentlichte Daten, die möglichst nahe am Jahr 2015 liegen. Für alle Länder lassen sich ausführliche Dashboards herunterladen. Mit ihrer Kooperation wollen die Bertelsmann-Stiftung und das SDSN die Arbeit der Inter-Agency and Expert Advisory Group (IAEG) flankieren, die bis 2017 globale Indikatoren für die nachhaltigen Entwicklungsziele ausarbeiten soll. Der SDG-Index und die Länder-Dashboards sollen auch künftig weiterentwickelt werden.
Der Beitrag ist Teil des akzente Politikmonitors, der alle zwei Monate erscheint. Darin wollen wir die politischen Nachhaltigkeitsdiskussionen intensiv verfolgen, Impulse aufgreifen, Einblicke vermitteln und Wissenswertes weitergeben.
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