Chance statt Risiko

Wie nachhaltige Lieferketten zu Resilienz, Effizienz und Wettbewerbsvorteil beitragen können.

Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen: Die unternehmerische Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ist nicht nur dringend nötig, sondern steht auch kurz vor der gesetzlichen Verankerung. Die 2011 beschlossenen UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sollen durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden, jedoch verzögert sich dieser Prozess dramatisch. Deswegen wird auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene über die Einführung eines verbindlichen Lieferkettengesetzes (auch Sorgfaltspflichtengesetz genannt) diskutiert. Sicher aber ist: Eine gesetzliche Regelung wird kommen – und diese wird auf alle Unternehmen einen Einfluss haben. Derzeit wird hauptsächlich über das „wie“ debattiert.

Einer der Hauptstreitpunkte abseits der Haftungsfrage ist der Geltungsbereich des geplanten nationalen Lieferkettengesetzes. Soll dieses für Unternehmen

Auch wenn ein Unternehmen nicht selbst in den direkten Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, wird ein Lieferant die Vorgaben von Kunden zu erfüllen haben. Somit sind auch kleinere Unternehmen von dieser Sorgfaltspflicht betroffen. Jedes Unternehmen sollte sich daher grundlegend mit seiner Lieferkette auseinandersetzen und Lösungen finden, um nachhaltiger zu wirtschaften.

Geschäftsrelevanz nachhaltiger Lieferketten

Die Neuausrichtung auf nachhaltige Lieferketten kann in einem Unternehmen vielerlei positive Auswirkungen haben. Zusätzlich zu den grundlegenden Menschenrechts- und Umweltthemen schafft sie Mehrwerte auf verschiedenen Ebenen:

  • Effizienzsteigerungen: Eine detaillierte Lieferkettenaufstellung, von der Rohstoffphase bis zum Endverbraucher, kann der Start für ein schlankeres Lieferketten- und Logistikmanagement sein. Auf dieser Basis können Potenziale für höhere Effizienz und Produktivität festgestellt werden. Auftragsbündelungen, die Verringerung von Vorlaufzeiten und vereinfachte Prozesse können daraus resultieren.
  • Resiliente Lieferketten: Covid-19 hat gezeigt, dass resilientere Lieferketten nötig sind. Auch hier ist eine Bestandsaufnahme entscheidend: Nur wer einen genauen Überblick über seine Lieferkette(n) hat, kann diese transparent aufstellen und strategisch in den Einkaufsprozess integrieren. Dadurch schaffen es Unternehmen, sich krisenresilienter, nachhaltiger und damit zukunftsfest aufzustellen.
  • Starke Wettbewerbsvorteile: Im öffentlichen Diskurs nehmen Nachhaltigkeitsthemen durch Nichtregierungsorganisationen, Multistakeholderinitiativen sowie zivilgesellschaftliche Bewegungen einen immer größeren Platz ein. Einerseits beziehen Endkunden Nachhaltigkeit stärker in ihre Kaufentscheidung mit ein, andererseits werden vermehrt Mindestanforderungen an Geschäftsbeziehungen formuliert. Schon jetzt gibt es Ausschreibungen, die explizit nachhaltige Lieferketten verlangen. Zu belegen ist dies meist durch Zertifikate wie z. B. des grünen Knopfes in der Textilbranche. Durch den Aufbau einer nachhaltigen Beschaffung kann sich ein Unternehmen daher insbesondere vom internationalen Wettbewerb abheben.
Den Anfang machen

Viele Unternehmen stehen dennoch vor der Ungewissheit, wie sie dieses scheinbar so schwierige Thema angehen und tief in der Wertschöpfungskette Einfluss nehmen können. Es zeigt sich, dass der Impuls von Unternehmen selbst gesetzt werden kann, um den Prozess zu starten.

  1. Keine Angst haben: Es gilt bei der Menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Das Gesetz, so heißt es aus dem Eckpunkteentwurf von März 2020, begründet eine Bemühungs- und keine Erfolgspflicht. Es gilt zuerst das Thema in den Beschaffungsprozessen zu verankern und dann Nachhaltigkeitsaspekte in das Lieferantenmanagement einzubinden. Verantwortlich wirtschaftende Unternehmen haben durch ein solches Gesetz nichts zu befürchten. Wie genau dies festgestellt wird, werden die Gesetzesentwürfe hoffentlich durch klare Definitionen klären.
  2. Bestehende Rahmenwerke nutzen: Der Nationale Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte legt fünf Kernelemente für die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht fest: Der erste Schritt ist eine Grundsatzerklärung, gefolgt von einer Auswirkungsanalyse, mit der tatsächliche und potenziell nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte festgestellt werden. Ziel ist es, signifikante Risikofelder zu identifizieren und zu bewerten. Auf dieser Basis sollten angemessene Maßnahmen getroffen werden und eine Berichtserstattung erfolgen. Zudem ist ein zielgruppengerechter Beschwerdemechanismus zu etablieren. Nicht nur für Menschenrechtsthemen bieten diese Schritte eine gute Leitlinie. Auch für weitere Lieferkettenthemen können sie dienlich sein, um den fortlaufenden und langfristigen Prozess hin zu einer nachhaltigen Lieferkette strategisch anzugehen.

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  3. Von- und miteinander lernen: Es gibt genug Unternehmen, an denen man sich orientieren kann, da diese bereits begonnen haben nachhaltige Lieferketten aufzubauen. Viele dieser Unternehmen positionieren sich auch für ein nationales Lieferkettengesetz, um gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Wirtschaft zu erlangen und Vorbild zu sein. Zudem muss heutzutage nicht jedes Unternehmen ein neues System aufbauen – es gibt Allianzen und Kooperationen, wie z. B. das Bündnis für nachhaltige Textilien oder die Responsible Business Alliance, die Strukturen und branchenweite Lösungen anbieten. Leitfäden von Organisationen wie vom UN Global Compact oder  Unterstützungsmaßnahmen der Regierung helfen ebenfalls bei der Umsetzung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten.
Es ist machbar

Dass die Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht kein Ding der Unmöglichkeit ist, haben schon viele Unternehmen gezeigt. Es bedeutet Arbeit, aber ist machbar. Ist einmal die gesamte Lieferkette klar, kann man auf diese positiv einwirken und nachhaltig aufbauen – weg von Kinderarbeit, moderner Sklaverei und groben Umweltverstößen hin zu Chancen für das Unternehmen und die Gesellschaft.

Wir hoffen auf ein Gesetz, das die verschiedenen Standards harmonisiert, praxistauglich ist und klare Definitionen beinhaltet, um Rechtssicherheit zu schaffen. „Made In Germany“ sollte nicht nur für perfekte Qualität, die so viele Jahre den Erfolg der deutschen Wirtschaft geprägt hat, sondern auch für transparente und nachhaltige Beschaffung stehen.

Für weitere Informationen ist ein Blick in unseren letzten Blogeintrag oder umfassender unseren Politikmonitor zum Thema Lieferketten empfehlenswert.


Abbildung: Eigene Darstellung

Foto: Reproductive Health Supplies Coalition | Unsplash

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