Corporate Digital Responsibility – Vom Umgang mit einer neuen Welt

Corporate Social Responsibility (CSR) ist bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch der Wirtschaft übergegangen. Doch die digitale Transformation bringt neue Verantwortung für Unternehmen mit sich – etwa beim Datenschutz oder dem Profiling durch Künstliche Intelligenz. Damit beschäftigt sich die Corporate Digital Responsibility (CDR).

Die grundlegenden Fragen bleiben gleich

Die „Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik“ legte in den 90er Jahren den Grundstein für eine Auseinandersetzung mit neuen Denkmustern, die die damals vorherrschende Ökonomietheorie in Frage stellten. Der Markt wurde nicht mehr als ausreichendes Verteilungsinstrument angesehen, in dem die „Unsichtbare Hand“ des schottischen Moralphilosophen und politischen Ökonomen Adam Smith für ausreichende Anreize zur Herstellung und Allokation von Ressourcen in einem freien Markt sorgte. Bis dahin wurde beflissentlich übersehen, dass Smith’s Standardwerk „The Wealth of Nations“ in den Kontext des früheren Werks „The Theory of Moral Sentiments“ eingebettet ist, das die eigennützige Rationalität des Individuums erst in einer Umgebung der sozialen Moralität funktionieren lässt. Die negativen Seiten einer Wirtschaft, in der Unternehmen von der Gesellschaft jenseits der Profiterwirtschaftung keinerlei Verantwortung zugeschrieben wurde, wurden zu offensichtlich und man suchte schlußendlich nach einer Verknüpfung von organisationalem und gesellschaftlichem Gewinnstreben. Durch die Wissenschaft wurde der Begriff der Corporate Social Responsibility geprägt, der die theoretische Vorarbeit einer unternehmerischen Verantwortungszuschreibung zu einer praktischen Anwendung führte.

Eine neue Welt braucht eine neue Ethik

Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich gerade beim Begriff der Corporate Digital Responsibility. Durch die Digitalisierung wurden und werden neuartige, unregulierte Gesellschaftsräume geschaffen. In diesem neuen Wilden Westen wird nach einem Kodex gesucht, um menschliches Verhalten in vernünftige Bahnen zu lenken, die Kooperation zwischen Menschen auch online ermöglichen. Dafür werden jetzt die gesellschaftlichen Grundlagen ausgehandelt, die sich, analog der oben erwähnten Infragestellung des wirtschaftlichen Handelns in der materiellen Welt, anfangs auf einer philosophischen Ebene befinden. So wird im Bereich der „Digitalen Ethik“ nach Werten gesucht, die das menschliche Miteinander so gestalten, dass man auch in einer transzendenten und anonymisierten digitalen Welt eine Gesellschaft aufbauen kann, die auf Respekt und Moral fußt. Und in der nicht das Motto des Hobbes’schen Naturzustandes „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ als Grundsatz für zwischenmenschliche Interaktionen gilt.

Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen

Wie bei allen ethischen Fragestellungen steht am Anfang die Überlegung, in welcher Welt man leben will. Und ob dies eine Welt sein soll, in der das Individuum auf einen zu beeinflussenden Konsumenten reduziert wird. Das Ideal eines mündigen Bürgers, der auch digital gesellschaftliche Teilhabe lebt und die Wissensverfügbarkeit nutzt, um informierte Entscheidungen zu treffen, wäre eher die Basis, auf der eine Ethik fußen könnte und sollte. Dieses auch in unserer Verfassung gesetzte Menschenbild sollte die Basis für jede Vision einer digitalen Wirtschaftsordnung sein.

Unternehmen sind wichtige Player

Wirtschaftliche Unternehmen haben eine gewaltige Gestaltungsmacht in dieser neuen, künstlichen Welt, deren Grundfesten erst geformt werden. Dafür braucht es enorme Finanzaufwendungen, die mit wirtschaftlichen Interessen verbunden sind. Aber nicht alles, was (kurzfristig) wirtschaftlich erfolgreich wäre, wäre auch im langfristigen Interesse einer globalen Internetökonomie. Im analogen Wirtschaftsleben basieren Geschäftsbeziehungen auf Vertrauensvorschüssen – im anonymen, digitalen Wirtschaftsleben ohne reale Face-to-Face-Kontakte vielleicht sogar noch mehr. Verlieren die Menschen das Vertrauen in Technologien, dann werden diese nicht mehr genutzt. Und damit verschwinden auch die mit den Technologien verbundenen Vorteile aus dem kollektiven Nutzen-Pool.

Eine Rahmenordnung wird aktuell gesetzt

Betrachtet man die Erfolgsquote von Branchen-Selbstverpflichtungen der Vergangenheit, zeigt sich, dass die wenigsten Unternehmen freiwillig Verantwortung in einem umweltpositiven Maße übernehmen. Denn die damit verbundenen Kostennachteile ergeben Wettbewerbsnachteile und die Profitmarge sinkt. Der an der LMU München lehrende Professor Karl Homann, einer der führenden Grundlagenforscher der Wirtschaftsethik, plädierte in seinem institutionenökonomischen Ansatz für Anreize, die man den Unternehmen innerhalb einer starken Rahmenordnung setzen muss. Die Rahmenordnung stelle ein „Level Playing Field“ her, auf dem jedes Unternehmen seine wirtschaftlichen Erfolge verwirklichen kann, aber nach klaren und einheitlichen Regeln. Freiwillige Vorleistungen für ein nachhaltigeres Wirtschaften, die von Wettbewerbern ausgenutzt werden können, sind dann nicht mehr nötig. Die EU ist gerade mit den Gesetzgebungen rund um Nachhaltigkeitsreporting und Sustainable Finance dabei, für die Realwirtschaft eine solche Rahmenordnung aufzubauen. Die digitale Welt ist noch weitgehend unreguliert, hier hinkt der Gesetzgeber noch den Entwicklungen hinterher. Mit der Datenschutzgrundverordnung und den Regulierungsüberlegungen bezüglich Künstlicher Intelligenz, wurden aber erste Schritte gemacht und das Korsett wird gerade enger geschnürt. Der Gesetzgeber legt nun für Unternehmen fest, was sie dürfen und was nicht. Damit erfüllt er seinen Auftrag der Bewahrung einer stabilen Gesellschaft, in der sich Individuen frei entfalten und glücklich leben können.

Jetzt heißt es: Bei sich anfangen…

Der Staat wird es schon richten? Zumindest aus der Risikoperspektive ist es für Unternehmen geboten, Regeln für ihr digitales Handeln selbst zu gestalten. Zu undurchsichtig ist diese neue Welt und zu schnell kann es zu unvorhergesehenen Konsequenzen kommen, die in einer Beschädigung der digitalen Infrastruktur oder technikgestützten Verhaltensmuster münden. Dabei ist hier die Systemerhaltung – wie in der physischen Welt – eine Grundvoraussetzung für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Eine digitale Ethik in die Organisation einzuführen, an deren Werten das eigene Handeln gemessen wird, ist der erste Schritt dahin. Im zweiten Schritt müssen diese Werte prozessualisiert werden und in Leitlinien, Strukturen und Managementvorgaben einfließen, damit sie im Unternehmen gelebt werden können. In einem dritten Schritt müssen die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden, damit die Unternehmenswerte bei der Entwicklung und Bereitstellung von digitalen Infrastrukturen und Dienstleistungen umgesetzt werden können. Beispielsweise muss bereits bei der Ideenfindung eruiert werden, ob es womöglich negative Auswirkungen gibt. In Designentscheidungen muss die Lebensdauer des Produktes einfließen. Entwickler müssen angehalten werden, möglichst datensparsam vorzugehen, sowohl bei der Erfassung als auch bei der Übertragung von Daten über die globale Infrastruktur. Zahlreiche Detailfragen sind anzupacken.

… und kreativ mitgestalten

Für diejenigen Unternehmen, die darüber hinaus gehen wollen, gibt es eine Menge Möglichkeiten. Dabei muss man nicht ganz von Vorne anfangen. Es gibt bereits viel Vorarbeit und nützliche Hilfestellungen, z.B.

Mit diesen Mitteln können Unternehmen dazu beitragen, dass das Internet zu einem Ort des Austausches wird, an dem Kreativität und Innovation die vorherrschenden Merkmale sind, und der mündige digitale Bürger sich an einer funktionierenden Wirtschaft und einer gelebten Demokratie beteiligen kann.


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Auf einen Blick: Das deutsche Lieferketten­sorgfalts­pflichten­gesetz (LkSG)

Die Menschenrechte in der Lieferkette kommen in den Fokus der Politik. Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 ein Lieferkettengesetz beschlossen, am 25. Juni 2021 wurde es vom Bundesrat gebilligt. Hier werden die wichtigsten Fragen zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beantwortet.

Wie kam es zu dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)?

Die Bundesregierung will in Deutschland ansässige Unternehmen in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte stärker in die Verantwortung nehmen. Um das umzusetzen, hat die Bundesregierung zunächst auf freiwilliges Engagement gesetzt. Im Dezember 2016 hat sie den Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte (NAP) verabschiedet und einen Überprüfungsmechanismus eingerichtet. Das Ergebnis: Zu wenige Unternehmen – 20 Prozent 2019 und 17 Prozent 2020 – erfüllten die Anforderungen. Die Zielmarke von 50 Prozent war gerissen. Die NAP sah hier in diesem Fall statt einer freiwilligen Selbstverpflichtung gesetzliche Maßnahmen vor, genauso wie der Koalitionsvertrag. Mit dem LkSG setzt die Bundesregierung nun die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen verbindlich um. Dabei geht es um die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie des Verbots von Kinderarbeit und Zwangsarbeit.

Was will das Lieferkettengesetz erreichen?

Das LkSG setzt in Deutschland die Leitprinzipien der Vereinten Nationen (VN) für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 um und soll die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten in Deutschland und weltweit verbessern. Demnach sollen Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht ausüben und grundlegende Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten achten. Auch Umweltbelange sind relevant, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen (z.B. durch vergiftetes Wasser).

Ab wann gilt das Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt ab dem 01.01.2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter:innen – und ab 01.01.2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen. Darin eingeschlossen sind Leiharbeitnehmer:innen, die über 6 Monate im Unternehmen angestellt sind, sowie ins Ausland entsandte Mitarbeiter.

Welche Unternehmen sind vom Lieferkettengesetz betroffen?

Jedes Unternehmen das die Hauptverwaltung, die Hauptniederlassung, den Verwaltungssitz oder den satzungsmäßigen Sitz in Deutschland hat, fällt unter die Regelung. Die Rechtsform des Unternehmens spielt keine Rolle.

Sind auch Tochterunternehmen im Ausland vom Lieferkettengesetz betroffen?

Tochterunternehmen im Ausland, auf die ein bestimmender Einfluss besteht, sind nicht von dem Gesetz ausgenommen: Kontrolliert zum Beispiel ein deutsches Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiter:innen ein Tochterunternehmen im Ausland mit 1.500 Mitarbeiter:innen, fallen beide unter das LkSG. Dabei gelten kontrollierte Tochterunternehmen im Ausland nicht als „erste Zulieferer“, sondern werden zum eigenen Geschäftsbereich gerechnet. Nicht explizit geregelt ist, was in Bezug auf die unmittelbaren Zulieferer der kontrollierten Tochterunternehmen gilt. Hat das deutsche Unternehmen hingegen nur 2.999 Mitarbeiter:innen ist es gemeinsam mit bspw. ausländischen Töchtern vom Gesetz ausgenommen.

Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen in Deutschland mit der entsprechenden Mitarbeiter:innenanzahl müssen sich ebenfalls ab 2023 bzw. 2024 an das neue Gesetz halten.

Welche Anforderungen stellt das Lieferkettengesetz an die Unternehmen?

Um das Gesetz zu erfüllen, müssen Unternehmen fünf Kernelemente einführen und / oder vorantreiben:
1) Eine Grundsatzerklärung (§ 6) zu veröffentlichen, welche das Sorgfaltspflichtenverfahren beschreibt.
2) Ein Risikomanagement (§ 4) einführen und umsetzen, das in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen verankert ist. Jenes Risikomanagement ist für eine jährliche sowie anlassbezogene Risikoanalyse (§ 5) verantwortlich. Die Analyse muss mindestens die menschenrechtlichen Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei seinen unmittelbaren Zulieferern (Tier 1) ermitteln. Welche Tools sich hierfür empfehlen, hängt ganz von Größe und Branche des Unternehmens ab.
3) Angemessene Präventions- und Abhilfemaßnahmen (§ 6) zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen ergreifen.
4) Ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren (§ 8) einrichten oder sich an einem externen Beschwerdemechanismus beteiligen.
5) Jährlich einen Bericht (§ 10) über die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten erstellen und diesen auf seiner Internetseite für mindestens sieben Jahre öffentlich zugänglich machen; ob der Bericht bspw. in den Nachhaltigkeitsbericht integriert werden kann, bleibt abzuwarten.

Gilt die Umsetzung des Lieferkettengesetzes für die gesamte Lieferkette?

Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen erstrecken sich grundsätzlich auf die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt. Dazu gehören auch Dienstleistungen, wie beispielsweise der Transport der Ware.

Die Anforderungen an die Unternehmen sind dabei abgestuft, insbesondere nach dem Einflussvermögen auf den Verursacher der Menschenrechtsverletzung sowie nach den unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette. Das bedeutet etwa., dass eine Risikoanalyse zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte nur für den eigenen Geschäftsbereich und die unmittelbaren Zulieferer zu erstellen ist.

Bei mittelbaren Zulieferern (Tier 2 bis n) gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt.

Was tun bei Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette?

Im Falle einer Rechtsverletzung im eigenen Geschäftsbereich im Inland müssen Unternehmen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Im Falle einer Rechtsverletzung bei unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern, die nicht auf absehbare Zeit beendet werden kann, ist ein Plan zur Minimierung und Vermeidung zu erstellen.

Wer kontrolliert das Lieferkettengesetz?

Mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überprüft eine etablierte Behörde die Einhaltung des Gesetzes. Sie kontrolliert die Unternehmensberichte und geht eingereichten Beschwerden nach. Stellt sie Versäumnisse oder Verstöße fest, kann sie Bußgelder verhängen oder Unternehmen von der öffentlichen Beschaffung ausschließen.

Welche Strafen sind beim Lieferkettengesetz vorgesehen?

Es können Bußgelder von bis zu zwei Prozent des Vorjahresumsatzes entstehen. Ebenso kann es zu einem Ausschluss bei öffentlichen Ausschreibungen von bis zu drei Jahren kommen. Es gilt weiterhin die zivilrechtliche Haftung nach deutschem und internationalem Privatrecht. Das bedeutet, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Ausland die Möglichkeit haben, sich von NGOs oder Gewerkschaften mit Sitz in Deutschland in ihrem Gerichtsprozess vertreten zu lassen. Doch der Weg für Rechteinhaber:innen ist ein weiter, denn die Beweislast für die Verletzung von Sorgfaltspflichten liegt weiterhin bei den Geschädigten.

Das Gesetz schafft auch keine neuen zivilrechtlichen Haftungsregelungen – einer der großen Streitpunkte. Denn nur mit einer zivilrechtlichen Haftung hätten Betroffene gegen den Schadensverursacher einen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens.

Einen aktuellen Blick auf das LkSG Anfang 2023 insbesondere mit Blick auf die praktische Umsetzung gibt es hier zu lesen.


Foto: Erik Odiin | Unsplash

Die Nachhaltigkeit ist im Mainstream angekommen

  • Vorschlag für eine “Corporate Sustainability Reporting Directive” (CSRD) stellt Nachhaltigkeit auf eine Stufe mit Finanzinformationen
  • Weitaus mehr betroffene Unternehmen und höhere Transparenztiefe
  • Einführung von Berichtsstandards sehr wahrscheinlich

Die EU-Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (FISMA) veröffentlichte am 21. April 2021 den Vorschlag für ein Update der nichtfinanziellen Berichterstattungsrichtlinie (Non Financial Reporting Directive, NFRD). Da die erste Version als etwas zahnlos galt und ihr Adressatenkreis zu klein war, um echten Impact zu erzielen, wird die Richtlinie nun ausgeweitet. Die 2020 durchgeführte öffentliche Konsultation ließ schon eine recht konkrete Vorstellung zu, in welche Richtung die Entwicklung laufen könnte. Die nun vorgestellten Neuerungen überraschen deshalb nicht wirklich. Doch es gibt ein paar Ausnahmen.

Vorgeschlagene Änderungen im Überblick

Als gesetzt galt die Ausweitung der betroffenen Unternehmen. War in der NFRD noch die Rede von Organisationen im „öffentlichem Interesse“, wird jetzt die Wirtschaft im Ganzen als relevant angesehen. Berichtspflichtig werden bereits Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitern, unabhängig davon, ob deren Anteile an einem öffentlichen Markt gehandelt werden. Bei den kapitalmarktorientierten Unternehmen fällt die Größenschwelle gänzlich weg – mit Ausnahme von „Mikrounternehmen“. Damit müssen in Deutschland ab 2024 mehr als 16.000 Unternehmen zu Nachhaltigkeit berichten.

Die Unternehmensführung und -aufsicht soll mehr Verantwortung für Nachhaltigkeitsthemen übernehmen. Das zeigt sich durch die Fixierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht und eine vorgeschriebene externe Prüfung, die allerdings zunächst noch mit begrenzter Sicherheit (Limited Assurance) erfolgen kann. Das Ziel, die bisherige Dualität von Finanz- und Nachhaltigkeitskennzahlen aufzulösen, drückt sich deutlich in der neuen Terminologie aus: Die „nichtfinanzielle Berichterstattung“ wird durch den Begriff der „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ ersetzt.

Die zu berichtenden Inhalte sollen konkretisiert, ausgeweitet und in Einklang mit der parallel laufenden Entwicklung der Sustainable Finance-Gesetzgebung gebracht werden. Darzustellen sind das Geschäftsmodell und die Geschäftsstrategie in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen, die Kompatibilität mit einem 1,5 Grad-Szenario, Ziele und deren Fortschritt und auch die „Principal Adverse Impacts“, auf die die Finanzmarktteilnehmer für Angaben nach der Offenlegungsverordnung angewiesen sind. Neben retrospektiven Angaben werden ausdrücklich zukunftsgerichtete Angaben gefordert. Auch die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) wurden an mehreren Stellen fest verankert.

Spielregeln für alle Marktteilnehmer

Während die EU nun ein umfangreiches Gesetzespaket mit dem Ziel Nachhaltigen Wirtschaftens schrittweise umsetzt, favorisieren die USA die von der IFRS Foundation (International Financial Reporting Standards) angekündigten Berichtsstandards als Lösung. Diese wären zwar international, können aber nur einen kleinen Teil der für eine umfassende Steuerung notwendigen Daten bereitstellen und richten sich nur an Unternehmen, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren – in Europa, ja speziell in Deutschland ist dies eine Minderheit. Deshalb soll das gerade entstehende, sowohl am Geschäftserfolg wie auch den externen Auswirkungen orientierte, Gesetzespaket der EU alle Marktteilnehmer zu einer gesamtgesellschaftlichen nachhaltigen Entwicklung verpflichten. Es ist die Antwort auf drei verlorene Jahrzehnte der freiwilligen Selbstverpflichtungen, die nichts gebracht haben. So hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir eine feste Rahmenordnung mit klaren Spielregeln für alle Marktteilnehmer brauchen, wenn nachhaltiges Handeln sich lohnen soll.

EU will eigene Berichtsstandards als Klammer

Besonders hervorzuheben ist daher das klare Bekenntnis der EU zu eigenen Berichtsstandards, die mehr Klarheit und Vergleichbarkeit schaffen sollen. Die Eindringlichkeit, mit der die FISMA diese im Text verankert hat, deutet auf eine klare Empfehlung zur Einführung hin. Dass die Umsetzung jetzt noch gekippt wird und die entsprechenden Stellen aus dem Gesetzesvorschlag entfernt werden, ist unwahrscheinlich. Sie sind der letzte Baustein, der die Lücke zwischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie, Taxonomie und Offenlegungsverordnung schließt.

Verstöße sind kein Kavaliersdelikt

Ein interessantes Detail findet sich im Artikel „Strafen“. Waren solche für einen Verstoß gegen die NFRD bisher den Mitgliedsstaaten überlassen, legt der Vorschlag zur CSRD nun Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung fest. Neben monetären Strafen wird auch eine Veröffentlichung des gegen das Gesetz verstoßenden Unternehmens sowie die Art des Verstoßes gefordert. Zwar handelt es sich um einen Verstoß gegen formale Kriterien und nicht um Inhalte. Intransparenz wird angeprangert, nicht ein ökologisches oder soziales Fehlverhalten. Allerdings kann aus dem Fehlen bestimmter Daten durchaus eine Ableitung getroffen werden, wo bei einer Analyse genauer hinzusehen ist.


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Europa als Standardsetzerin

  • Bericht zu möglichen europäischen Berichtsstandards zeigt Architektur auf theoretischer Ebene
  • Weiter Stakeholder-Begriff berücksichtigt sowohl Anforderungen von Finanzmarkt als auch der Gesellschaft
  • Vorschlag zur Umgestaltung der EFRAG zu einem autonomen Standardsetzer als separater Bericht
Vorbild Europäische Union

Die EU begreift sich als Vorreiter beim Setzen von Nachhaltigkeitsnormen – und die Ergebnisse der letzten Jahre geben ihr da durchaus recht. So überrascht es auch nicht, dass sie die angeforderten Nachhaltigkeitsdaten vergleichbarer gestalten will, um die Finanzströme zur Erreichung von Klimaschutzzielen lenken zu können. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat nun ihren Bericht zur Entwicklung europäischer Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht. Deren Umsetzbarkeit hat sie im Auftrag der Europäischen Kommission mit Blick auf die kommende verschärfende Aktualisierung der EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung geprüft.

Berichten für das Gemeinwohl

Der Bericht „Proposals for a relevant and dynamic EU sustainability reporting standard-setting“ umfasst 54 Empfehlungen, unter anderem zu einem stufenförmigen Reporting-Modell mit branchenunabhängigen, branchenspezifischen und organisationsspezifischen Indikatorensets. Die von der EFRAG entworfene Architektur ist als „Wie sollte es aussehen wenn“-Modell noch auf einer hochtheoretischen Ebene abgefasst: Es geht über ein reines Benchmarking von Unternehmensdaten hinaus und befasst sich mit den grundlegenden Prinzipien, die ein solches Modell erfüllen sollte. Dabei geht es ihr nicht nur um Finanzdaten, obwohl der Bericht auch auf die spezifischen Anforderungen der Finanzinstitute eingeht. Tonangebend ist auch das Gemeinwohl. Das zeigen die konzeptuelle Richtlinie „Public good“ und der übergeordnete Grundsatz „inclusive range of stakeholders“. Bei letzterem wird die Natur explizit als eigener Stakeholder aufgeführt.

 

Purpose of Sustainability Reporting, EFRAG ESS
Quelle: EFRAG; Final Report: Proposal for a relevant and dynamic EU sustainability reporting standard setting, 2021, S. 17

 

Zwei Seiten der Medaille

Die EFRAG betont den Willen auf bestehenden Initiativen mit gleichen Zielen aufzubauen und beschwört den europäischen Geist der Kooperation. Über die Investoren-Perspektive eines von der IFRS vorgeschlagenen Sustainability Standards Boards (SSB) hinausgehend ist ihre Konzeption der Versuch, die Ausrichtungen der bestehenden internationalen Rahmenwerke zu vereinen: Die Stakeholder-Perspektive der GRI mit ihrem Blick auf externe Effekte wird mit der finanziellen Risiko-Perspektive von SASB und TCFD zusammengeführt. Das schreibt sie auch im Prinzip der doppelten Materialität fest: Zu betrachten sind sowohl die finanziellen Auswirkungen für das Unternehmen als auch jene seines Handelns auf Umwelt und Gesellschaft. So könnte ein umfassendes Bild des unternehmerischen Wirkens nach außen entstehen. Zudem könnten die nun erfassten Informationen aber auch unternehmensintern zum datengestützten Management der Nachhaltigkeits-Performance genutzt werden und den Hebel für Verbesserungen darstellen.

Partizipativere Strukturen

Folgerichtig schlägt darum ein zweiter Bericht eine neue, eigenständige Säule in der EFRAG-Governance-Struktur vor, die sich um den nichtfinanziellen Bereich kümmert und mit der klassischen Rechnungslegung zusammenarbeitet. Für eine ausgewogene Vertretung der Stakeholder soll die EFRAG-Generalversammlung um zwei neue Gruppen erweitert werden: Zusätzlich zu den bisherigen Accounting-Organisationen und Nationalen Standardsetzern sollen relevante europäische Institutionen und Behörden sowie die Zivilgesellschaft in Form von NGOs und Universitäten vertreten sein. Um sicherzustellen, dass zukünftige EU-Standards für das Nachhaltigkeitsreporting in einem inklusiven und stringenten Prozess entwickelt werden, soll ein eigenes Board geformt werden, das, gestützt von einer technischen Expertengruppe und in Kollaboration mit anderen internationalen Standardsetzern und Initiativen, die Entwicklung steuert.

Ob die Standards kommen, und wenn ja, in welcher Form, ist noch offen. Es könnte nach dem Fahrplan der EFRAG aber recht schnell gehen: Die noch zu entwickelnden Reportingstandards könnten erstmals auf Berichte für das Geschäftsjahr 2023 anzuwenden sein, wenn die EU-Kommission sich für eine verpflichtende Einführung entscheidet.

 

Titelbild: Dose Juice / Unsplash

akzente Trendmonitor 2021: Ein Reset für unser System?

Je bewegender die Zeiten, desto wichtiger ist es, auch einmal innezuhalten. Das machen wir zum Jahreswechsel und fragen uns: Was ist passiert, was haben wir beobachtet, was könnte daraus werden? Und so starten wir mit einem Trendmonitor in das neue Jahr. Eines wird beim Rückblick wie beim Ausblick 2021 klar: Die Pandemie könnte einen Reset für unser System bewirken.

Themenbarometer: Klimaschutz wieder auf Platz Eins

Ein fester Bestandteil unseres jährlichen Trendmonitors ist das akzente-Themenbarometer, das Auskunft gibt, welche Themen im Kontext von Nachhaltigkeit bei Medien und Menschen besonders präsent waren. Corona haben wir dabei aus nachvollziehbaren Gründen bewusst nicht einbezogen.
Viele sorgten sich in der Pandemie, der Klimaschutz könnte auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda nach unten rutschen. Davon kann aber keine Rede sein. Das Thema hat weder an Dringlichkeit, noch – jenseits von Corona – an Aufmerksamkeit verloren. Die Liste der Top-Themen wird angeführt von Klimaschutz und Digitalisierung. Es folgt dann erstaunlicherweise das Thema Rohstoffe, was womöglich mit dem neu aufgenommenen Thema Elektromobilität zu tun hat, das aus dem Stand auf Rang sechs kam.

Comeback der Lieferkette

Dass Lieferkette im Jahr 2020 ein Comeback erfuhr und um sieben Plätze vorgerückt ist, verwundert angesichts der vehement geführten Debatten um das geplante deutsche Gesetz nicht. Mitarbeiterbezogene Themen haben in der Pandemie dagegen erst einmal an Bedeutung eingebüßt – auch Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung in der Krise als zentrale Assets vielfach beschworen wurden. Der Absturz von Aus- und Weiterbildung um 16 Ränge spricht Bände. Dass Biodiversität weiter stagniert, hat uns erstaunt, war es doch ein Thema, das in der Krise „gefühlt“ mehr Bedeutung erlangte. Leicht verwunderlich auch das: Trotz aller Diskussionen, Gesetze und Standards sind die Themen Sustainable Finance und Steuergerechtigkeit noch nicht in der größeren Öffentlichkeit angekommen.

Die Methodik hinter dem Themenbarometer

Mit dem akzente-Themenbarometer erfassen wir seit 2014 anhand einer Medienresonanzanalyse jeweils zum Jahresende, welchen Stellenwert einzelne Themen im Kontext von Nachhaltigkeit und unternehmerischer Verantwortung in der öffentlichen Diskussion hatten.

Wir messen dafür die quantitativen Nennungen der Themen – immer nur mit einem Bezug zu Nachhaltigkeit und unternehmerischer Verantwortung – in deutschsprachigen Medien anhand eigendefinierter Operatoren. Für das Jahr 2020 haben wir die Ergebnisse durch die Auswertung einer zweiten Quelle plausibilisiert.

Die Themenrangliste ist damit ein Indikator für die öffentliche Aufmerksamkeit zu einzelnen Themen im Kontext von Nachhaltigkeit und unternehmerischer Verantwortung. Die Priorisierung kann auf Erwartungen an Unternehmen hinweisen und damit die Diskussion darüber, was die Gesellschaft als wesentlich betrachtet, unterstützen.

Hinweise

Der akzente Trendmonitor Nachhaltigkeit ist sozusagen die erste Ausgabe unseres Politikmonitors (hier geht’s zur Newsletteranmeldung). Damit analysieren wir, welche Themen das vergangene Jahr dominierten, und zeigen die für CSR- und Nachhaltigkeitsexperten wichtigen Trends und Entwicklungen auf.

Für Rückfragen zum Themenbarometer wenden Sie sich bitte an Philipp Hofmann, akzente kommunikation und beratung GmbH, [email protected]

Auf einen Blick: Der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)

Die Menschenrechte in der Lieferkette kommen in den Fokus der Politik. Hier werden die wichtigsten Fragen zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) beantwortet.

Was ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte?

Der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) setzt in Deutschland die Leitprinzipien der Vereinten Nationen (VN) für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 um und soll die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten in Deutschland und weltweit verbessern.

Im NAP ist erstmals Verantwortung von deutschen Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte in einem festen Rahmen verankert. Demnach sollen Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht ausüben und Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten achten.

Ist der NAP rechtlich bindend und welche Unternehmen sind betroffen?

Eine rechtliche Pflicht zur Umsetzung besteht aktuell noch nicht.

Die Bundesregierung formuliert jedoch die Erwartung, dass alle deutschen Unternehmen die im NAP formulierten Anforderungen in ihre Geschäftsaktivitäten integrieren.

Wie wird die Umsetzung des NAP geprüft und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Seit 2018 läuft ein Monitoring-Prozess, in dem überprüft wird, ob mindestens 50 Prozent der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten die Anforderungen des NAP erfüllen. Per Zufallsstichprobe werden Unternehmen eingeladen, einen Fragebogen auszufüllen.

Der Zwischenbericht kommt zu dem Ergebnis, dass dies bislang nicht geschehen ist. Seit dem 2. März 2020 läuft die abschließende quantitative Monitoring-Erhebung. Die finalen Ergebnisse sollen im Endbericht im Sommer 2020 veröffentlicht werden.

Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode sieht für den Fall der Nichterfüllung vor, dass die Bundesregierung national gesetzlich tätig und sich für eine EU-weite Regelung einsetzen wird.

Kommt ein europäisches Lieferkettengesetz?

EU-Justizkommissar Didier Reynders kündigte Ende April 2020 verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang ihrer Lieferketten an. Die Auswirkungen der Covid19-Pandemie hätten eindringlich gezeigt, dass die globalen Handels- und Wirtschaftspraktiken besser reguliert werden müssen, um Menschenrechte und die Umwelt schützen zu können. Er schlagt sektorübergreifende Regeln, klare Durchsetzungsmechanismen und ein Sanktionssystem vor.

Nach einer öffentlichen Konsultation soll die Gesetzesinitiative voraussichtlich 2021 präsentiert werden.

Wie wird „menschenrechtliche Sorgfalt“ definiert?

  • Die unternehmerische Sorgfaltspflicht ist eine zentrale Säule der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen.
  • Sie obliegt grundsätzlich allen Unternehmen, unabhängig von der Größe, Branche oder Struktur. Das gilt sowohl im Bereich der eigenen Produktion als auch entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungsketten.
  • Mit menschenrechtlicher Sorgfalt sollen Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen verhüten und mildern. Die Ausgestaltung und Umsetzung sollte angemessen in bestehende Unternehmensprozesse integrierbar sein und keine unverhältnismäßigen bürokratischen Belastungen verursachen.
  • Unternehmen sind dazu angehalten, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten darum zu bemühen, Einsicht in die Arbeit der Zulieferer und deren Subunternehmen zu nehmen, um etwa bestmögliche Transparenz über die Produktions-, Arbeits- und Umweltbedingungen zu erhalten, Risiken zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.

Was sind die fünf NAP-Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt für Unternehmen?

  1. Eine Grundsatzerklärung zu ihrem Umgang mit Menschenrechten veröffentlichen
  2. Verfahren etablieren, um Menschenrechtsrisiken in ihrem Einflussbereich zu identifizieren
  3. Maßnahmen einleiten, um diese Risiken zu minimieren, und deren Wirksamkeit kontrollieren
  4. Zu den Fortschritten bei der Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt berichten
  5. Einen Beschwerdemechanismus einrichten

Welchen Anforderungen muss die Grundsatzerklärung genügen?

Mit Hilfe der Grundsatzerklärung sollen Unternehmen öffentlich zum Ausdruck bringen, dass sie ihrer Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte nachkommen. Die Erklärung sollte von der Unternehmensleitung verabschiedet und intern wie extern kommuniziert werden.

Sie sollte die für das Unternehmen und/oder die Branche besonders relevanten Menschenrechtsthemen unter Bezugnahme auf internationale menschenrechtliche Referenzinstrumente behandeln und die Verfahren beschreiben, mit denen das Unternehmen seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommt.

Welche Anforderungen bestehen hinsichtlich der geforderten Risikoanalyse?

Im Kern der Sorgfaltspflichten steht die Einrichtung eines Verfahrens, das dazu dient, potenziell nachteilige Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf die Menschenrechte zu ermitteln, zu verhüten oder zu mindern.

Dabei geht es nicht (primär) um die Betrachtung von Risiken für die eigene Geschäftstätigkeit, sondern insbesondere um menschenrechtliche Risiken für potenziell Betroffene des unternehmerischen Handelns (Beschäftigte im eigenen Betrieb, in der Lieferkette, Anwohner, Kunden etc.).

Die Betrachtung potenziell nachteiliger menschenrechtlicher Auswirkungen ist eine kontinuierliche, prozessbegleitende und insbesondere auch sektorbezogene Aufgabe und sollte sowohl bei der Lancierung neuer Geschäftsbereiche, Produkte oder Projekte, als auch in bereits bestehenden Geschäftstätigkeiten erfolgen.

Bei der Untersuchung möglicher Risiken muss unterschieden werden zwischen Auswirkungen, welche

  • direkt vom Unternehmen verursacht werden, z.B. durch direkte Vertragsbeziehungen mit Lieferanten,
  • indirekt aufgrund seiner Geschäftsbeziehungen, seiner Geschäftstätigkeit, seiner Produkte oder Dienstleistungen trotz fehlender direkter Vertragsbeziehungen, z.B. bei einer Vielzahl von Zwischenhändlern, mit dem Unternehmen verbunden sind.

Welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen sind laut NAP einzuleiten?

Die identifizierten Maßnahmen sollten immer auf den Ergebnissen der Risikoanalyse fußen. Beispielhafte Maßnahmen sind:

  • spezialisierte Schulung bestimmter Beschäftigter im Unternehmen oder bei Lieferanten
  • Anpassung bestimmter Managementprozesse (z.B. Beschaffung)
  • Veränderungen in der Lieferkette
  • Beitritt zu Brancheninitiativen

Zusätzlich erwartet der NAP, dass mit Hilfe einer Wirksamkeitskontrolle der Erfolg der ergriffenen Maßnahmen regelmäßig überprüft wird und mit den Betroffenen hierzu in Dialog getreten wird.

Welche Pflichten zur Berichterstattung sind mit dem NAP verbunden?

Unternehmen sollten Informationen bereithalten und ggf. extern kommunizieren, um darzulegen, dass sie die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen ihres unternehmerischen Handelns auf die Menschenrechte kennen und diesen in geeigneter Weise begegnen.

Für eine solche Berichterstattung können sowohl bestehende Berichtsformate des Unternehmens als auch ein eigenständiges menschenrechtsbezogenes Format genutzt werden.

Dabei sollen die Berichtspflichten nicht zu unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand für die KMU in den Lieferketten oder berichtspflichtigen Gesellschaften führen.

Wie muss ein Beschwerdemechanismus ausgestaltet werden?

Zur frühzeitigen Identifikation von (tatsächlich oder potenziell) nachteiligen Auswirkungen sollten Unternehmen entweder selbst Beschwerdeverfahren einrichten oder sich aktiv an externen Verfahren beteiligen. Letztere können beispielsweise auf Verbandsebene eingerichtet werden.

Je nach Zielgruppe sollte der Mechanismus unterschiedlich strukturiert werden. Die Zielgruppe sollte daher bei der Gestaltung des Verfahrens konsultiert werden.

Bei der Einrichtung neuer ebenso wie bei der Nutzung bestehender Mechanismen sollte darauf geachtet werden, dass diese ein faires, ausgewogenes und berechenbares Verfahren sicherstellen, das für alle potenziell Betroffenen zugänglich ist (z. B. durch den Abbau von sprachlichen oder technischen Barrieren).

Ergänzend sollte die Einrichtung anonymer Beschwerdestellen in Betracht gezogen werden. Das Verfahren sollte so viel Transparenz wie möglich gegenüber den beteiligten Parteien ermöglichen und im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards stehen.

Bereits bestehende Beschwerdestellen im Unternehmen oder dessen Umfeld sollten auf ihre Konformität hinsichtlich dieser beschriebenen Kriterien überprüft werden. Der Beschwerdemechanismus und der gesamte Sorgfaltsprozess des Unternehmens sollten regelmäßig praxisnah auf ihre Effektivität hin überprüft werden.

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Finaler Taxonomie-Bericht für Sustainable Finance-Aktionsplan der EU

In ihrem finalen Taxonomie-Bericht schlägt die TEG neue Offenlegungspflichten für Unternehmen im Rahmen der Nichtfinanziellen Erklärung vor. Erstmals legt sie dafür auch quantitative Kennzahlen fest. Finanzmarktakteure sollen zudem ihr Portfolio nach Umweltkriterien kategorisieren und Green Finance-Produkte kennzeichnen. Die Vergleichbarkeit im Finanzmarkt soll dadurch erheblich gestärkt werden.

 

Inhalte der neuen Reportingpflichten nach der EU-Taxonomie

Von den Unternehmen sind diejenigen betroffen, die unter die CSR-Richtlinie fallen. Nach der EU-Taxonomie für ein nachhaltiges Finanzwesen müssen diese Unternehmen den Anteil des Umsatzes mit Aktivitäten, die die Kriterien der Taxonomie erfüllen, ausweisen, sowie die Investitionen (Capex) und, falls relevant, die Ausgaben (Opex), in bzw. für Aktivitäten nach den Kriterien der Taxonomie.

Finanzmarktteilnehmer müssen für jedes relevante Finanzprodukt angeben, ob und in welchem Umfang sie die Taxonomie bei der Bestimmung der Nachhaltigkeit der zugrunde liegenden Investments verwendet haben. Wenn sie bei einem Finanzprodukt zur Anwendung kam, dann muss auch offengelegt werden, zu welchen Umweltzielen diese Investments beitragen und den Anteil der Investments, der an der Taxonomie ausgerichtet ist.

 

Leistungsbewertung zur Einstufung als grünes Finanzprodukt

Die Prüfung erfolgt dabei durch Technische Screeningkriterien („performance thresholds“) für die von der Taxonomie definierten Umweltziele. Alle Aktivitäten dürfen als „Green Finance“ bezeichnet werden, die einen substanziellen Beitrag zu einem Umweltziel leisten, keinen signifikanten Schaden (DNSH) für die anderen verursachen und ein Mindestmaß an Schutzmaßnahmen erfüllen (z.B. die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte).

EU Taxonomie How to
Quelle: Taxonomy: Final report of the Technical Expert Group on Sustainable Finance, 2020; S. 2

 

Roadmap für die Umsetzung

Die Finanzmarktteilnehmer müssen zum 31. Dezember 2021 ihre ersten Offenlegungen gemäß der Taxonomie vorlegen, zunächst beschränkt auf die Umweltziele zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel. Die Unternehmen werden erst im Laufe des Jahres 2022 zur Offenlegung verpflichtet sein, dann jedoch zu allen sechs Umweltzielen.

 

Eine detailliertere Analyse finden Sie auf unserer Webseite www.csr-berichtspflicht.de, die über die aktuellen politischen Entwicklungen in Brüssel und Berlin informiert.

 

 

Titelbild: evgeniafor, Pixabay

Statistische Analyse CSR-RUG

Die meisten der berichtspflichtigen Unternehmen, Banken und Versicherungen haben ihre erste nichtfinanzielle Erklärung oder den Bericht für das Geschäftsjahr 2017 Ausgewertet wurden für die Erhebung deutschlandweit 320 kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen zum Stichtag 19. Juli 2018. Einbezogen wurden Unternehmen mit Geschäftsjahresbeginn am 1. Januar sowie Unternehmen mit späterem Geschäftsjahresbeginn, die bereits freiwillig eine Erklärung veröffentlicht haben.

Die Gesamtliste nichtfinanzieller Veröffentlichungen ist auf der Webseite www.csr-berichtspflicht.de einsehbar. Das sortierbare Verzeichnis bietet einen Anlaufpunkt für die Recherche und Analyse von Praxisbeispielen und macht die praktischen Auswirkungen des Gesetzes deutlich.

Herausgeber: akzente kommunikation und beratung GmbH

Veröffentlichung: München, 2018

Die Blockchain – Lösung für alles?

Von der Technologie und dem Begriff Blockchain ist derzeit überall die Rede. Die Diskussionen erinnern an die Zeit, in der allein der Zusatz „.com“ im Unternehmensnamen half, die Aktienpreise in die Höhe zu treiben. Ähnlich vorgekommen bei der Verdreifachung des Börsenwertes durch die Umbenennung in „Long Blockchain Corporation“, ungehindert durch das analoge Kerngeschäft der Eistee-Produktion.

Wofür soll die Blockchain nicht alles helfen? Natürlich für die Erschaffung neuer, dezentral aufgelegter und nicht staatlich kontrollierter Währungen. Aber ebenso für das „Internet of Things“, Versicherungen, Mobilitätslösungen, Cloud Speicher, Online Musik-Streaming – und eben auch für nachvollziehbare Spendenverteilung, Lieferkettenmanagement, Fortschritte im Gesundheitswesen und sogar für das Durchführen von Wahlen.

Auch für den Bereich der Nachhaltigkeit wird sie hoch gehandelt. Aber ist die Technologie der Blockchain selber nachhaltig?

Kurzer Einblick in die Technologie
Was ist die Blockchain genau? Kurz gesagt: Eine dezentral aufgebaute Datenbank, in der Informationen in Blöcken chronologisch aneinandergereiht werden und die dank eines kryptografischen Verfahrens fälschungssicher ist.

Neue Informationen werden gesammelt und als neuer Block an das Ende der Blockchain angefügt. Eine dezentrale Methode zur Bestimmung einer gültigen Version des Blocks, der sogenannte Konsensmechanismus, ersetzt die Notwendigkeit eines vertrauenswürdigen Dritten zur Wahrung der Integrität der Blockchain. Darüber hinaus enthält jeder Block eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks und einen Zeitstempel, die eine Manipulation über die gesamte Kette sichtbar machen würden. Damit es zur Speicherung der Informationen keiner zentralen Instanz bedarf, gibt es bei jedem Netzwerkteilnehmer eine identische Kopie der Datenbank.

Unterschieden werden öffentliche und private Blockchains, die sich vor allem durch den Teilnehmerkreis und die dadurch entstehenden Anforderungen differenzieren. Die öffentliche Blockchain hat eine offene und transparente Struktur, die Teilnehmer sind anonym. Diese Zugangsfreiheit benötigt starke, dezentrale Konsensmechanismen, die Vertrauen in das System aufbauen. In einer privaten Blockchain, bei der alle Teilnehmer untereinander bekannt sind, reicht ein weniger komplexer Konsensmechanismus und sie kann generell schlanker und schneller gestaltet werden.

Eine derartige schmale Lösung könnte auf Produktebene eingesetzt werden und einen Rohstoff über die Verarbeitung bis zum fertigen Produkt durch die gesamte Lieferkette begleiten. Der Endkonsument könnte anhand der in der Blockchain gespeicherten Daten den Werdegang seines zum Kauf beabsichtigten Produktes nachvollziehen. Das klingt vielversprechend. Doch auch die Blockchain gerät dabei an ihre Grenzen.

Manipulationssicherheit als zentrales Kriterium
Die Blockchain selbst ist ein neutraler Datenspeicher. Sie überprüft die Integrität des Datensatzes, nicht jedoch die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten selbst. Beispiele wie die in der öffentlichen Blockchain „Bitcoin“ enthaltene Virussignatur oder die Links zu illegalem Content zeigen das deutlich. Die Blockchain ist lediglich Träger dieser Information. Verantwortlich für die Inhalte sind die Teilnehmer, die diese einliefern.

Zwar ist eine private Blockchain innerhalb einer Organisation mit bekannten Teilnehmern einfacher zu kontrollieren. Tatsache bleibt aber, dass die Richtigkeit der Informationen auch hier von den Informationslieferanten abhängig ist. In einer Lieferkette ließen sich durchaus Motive für eine Informationsfälschung finden, etwa um Rohstoffen eine bio-zertifizierte Herkunft anzudichten und dadurch die Gewinnspanne zu erhöhen. Und komplexe Technik wie die Blockchain, für deren Verständnis man Fachexpertise besitzen muss, ist anfällig für gezielten Betrug.

Transparenz wird erst durch eine mögliche Prüfung wertvoll
Wenn aber die Information, die in der Blockchain hinterlegt wird, gefälscht sein könnte, sinkt die Vertrauenswürdigkeit der Technologie. An einer Kontrolle der Datenerfassungspunkte wird man daher nicht vorbeikommen. In der Lieferkette sind diese Orte der Datenerfassung z.B. die Färberei für Stoffe oder die Frachtumladung bei Tiefkühlprodukten.

Bei einem Einsatz auf der Ebene einzelner Waren werden allerdings Datenmengen erzeugt, die durch die schiere Masse nur noch schwer überprüfbar sind. Hier kann nur stichprobenartig ein Abgleich mit realen Bedingungen vor Ort oder eine Kontrolle der Datenerfassungsprozesse durchgeführt werden.

Wer aber kann prüfen? Der Konsument wird es kaum machen. Weder hat er die Fähigkeiten noch die Ressourcen für tiefergehende Recherchen bei jedem Einkauf. Bleiben also staatliche Stellen oder Nichtregierungsorganisationen, die einzelne Unternehmen und ihre Aktivitäten unter die Lupe nehmen, beurteilen und öffentlich machen können. Für diese Kontrolle kann eine durch das Unternehmen offengelegte Blockchain wertvolle Informationen liefern.

Eine ketzerische These
Transparenz kann also ein großer Bonus der Blockchain sein – sofern sie mit weiteren Kontrollinstrumenten bei den Datenlieferanten verbunden wird. Doch sie lindert so nur Symptome, ohne die aus Nachhaltigkeitssicht bestehenden Probleme wirklich zu lösen. Wir wissen nun etwa, welche Lieferkettenglieder am Produkt mitgearbeitet haben. Aber wir wissen noch nicht, welche Arbeitsbedingungen in diesem Lieferkettenglied geherrscht haben, wie die Bezahlung der Arbeiter tatsächlich war und wie die Rohstoff-Erzeugung gehandhabt wurde.

Diese typischen Nachhaltigkeitsthemen werden in der Logistik-Blockchain der Lieferkette nicht adressiert. Es stellt sich die Frage, ob sich aus unternehmerischer Nachhaltigkeitssicht das für die Implementierung einer Blockchain nötige Kapital nicht besser an einer Stelle angelegt wäre, an der die Herausforderung direkt angegangen wird und die Kontrollmöglichkeit am Ende gar nicht mehr benötigt wird.

Einbettung in ein Gesamtkonzept
Beim Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft wird uns die Blockchain deshalb nur bedingt helfen können. Betrachtet man die sozialen Belange, so kann das Vertrauen in Technik nicht so weit gehen, dass Kontrollen obsolet werden. Betrachtet man den Ressourcenverbrauch, könnte ein Rebound-Effekt auftreten und die Effizienzgewinne wieder abschöpfen. Denn als Software-Produkt braucht die Blockchain-Technologie eine Hardware-Infrastruktur, auf der sie ausgeführt wird. Dies bedeutet zum einen den umweltbelastenden und mit sozialen Konflikten verbundenen Ressourcenabbau, um die nötigen elektronischen Geräte zu produzieren. Zum anderen ist gerade für öffentliche Blockchains wie den Kryptowährungen der Gesamtenergieverbrauch extrem hoch. Er bewegt sich selbst nach konservativen Schätzungen bereits in der Größenordnung von Städten. Bei privaten Blockchain-Anwendungen ist zwar der Energieverbrauch geringer, doch potenziert er sich durch die Anzahl der Anwendungsfälle in den globalen Lieferketten.

Technik als zusätzliches Transparenzinstrument wird uns dabei unterstützen können, gut informierte Entscheidungen zu treffen. Sie wird aber nicht die Lösung darstellen für unsere hausgemachten Probleme. Diese sind durch menschliches Verhalten verursacht und wenn wir sie lösen wollen, müssen wir organisatorische und gesellschaftliche Prozesse anstoßen. Transparenz sollte für Unternehmen nicht das Endziel darstellen, sondern die Übernahme von Verantwortung für die Umwelt und die Menschen, die zum eigenen Erfolg beitragen. Wenn die Akteure der Lieferkette nachvollzogen werden können, müssen Maßnahmen folgen und im nächsten Schritt gemeinsam mit diesen Akteuren an konkreten Verbesserungen gearbeitet werden. Hier können und sollten andere Werkzeuge zum Einsatz kommen, allen voran der partnerschaftliche Dialog auf Augenhöhe.