Über 10.000 Unternehmen weltweit verwenden bereits die GRI Standards bei ihrer Berichterstattung. Mit der Überarbeitung zielt die GRI darauf ab, diesen Kreis auszuweiten, indem sie auf größere Klarheit bei zentralen Konzepten, Grundsätzen und geforderten Angaben und eine größere Anschlussfähigkeit an bestehende oder kommende Regulierungen abzielt. Wie bei der GRI üblich, wurden im Zuge der Überarbeitung eine breite Gruppe unterschiedlichster Stakeholder einbezogen, um vorgeschlagene Änderungen zu testen. Auch akzente beteiligte sich aktiv daran.
Der Wesentlichkeitsprozess als Steuerungstool
Seit den G4-Standards hat die GRI eine Abkehr vom Prinzip „Vollständigkeit“ hin zum Prinzip der „Wesentlichkeit“ als zentralen Dreh- und Angelpunkt des Reportings vollzogen. Aufgrund verschiedener Unklarheiten in den Standards, die unterschiedlich interpretiert wurden, hatte sich in der Praxis ein reger Wildwuchs in Form und Stringenz bei deren Durchführung und Anwendung etabliert.
Mit der Überarbeitung der Standards definiert die GRI nun nicht nur mit größerer Klarheit die grundlegenden Prinzipien und Vorgehensweisen bei der Wesentlichkeitsanalyse, sondern zielt damit weit über die bisherige Reportingpraxis hinaus. Anstatt eines einmaligen Prozesses zu Beginn der Berichtsphase wird ein kontinuierliches System zur Erfassung und Bewertung der unternehmensspezifischen positiven wie negativen Auswirkungen auf eine nachhaltige Entwicklung propagiert. Unternehmen sollen dabei im ersten Schritt mögliche wie tatsächliche Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette erfassen – seien sie direkt durch das Unternehmen oder auch indirekt, z.B. in Form von Geschäftsbeziehungen, verursacht. Eine anschließende Bewertung der Auswirkungen nach Stärke und Eintrittswahrscheinlichkeit priorisiert diese und bildet die Basis für die Aufnahme einzelner Themen in den Bericht.
Damit greift die GRI nicht zufällig die klassische Bewertungsmethodik des Chancen- und Risikomanagements auf, sondern versucht eine Brücke zur finanziellen Berichterstattung zu bauen. Ökologische und soziale Effekte, die durch Produkte, Produktions- oder Beschaffungsprozesse entstehen können, sind schließlich nicht nur für die Adressaten eines Nachhaltigkeitsberichts von Interesse, sondern wesentlich für den zukünftigen Erfolg von Unternehmen.
Anschluss an europäische Berichtspflicht
Die Entwicklung der für Mitte 2022 angekündigten Kernstandards im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU setzt auf bereits bestehende etablierte Berichtsstandards auf. Die GRI wird hier als Partner genannt, der sich in engem Austausch mit der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) befindet, die für die Entwicklung der Standards zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verantwortlich ist. Es verwundert deswegen nicht, dass die Überarbeitung der GRI Standards explizit unter dem Licht stand, auf neue regulatorische Anforderungen zu reagieren – darunter die CSRD und die Pläne der International Financial Reporting Standards Foundation zur Einrichtung eines International Sustainability Standards Board, das die IFRS Foundation neben dem International Accounting Standards Board beaufsichtigen würde.
Verstärkter Fokus auf Menschenrechte
Ein weiterer wichtiger Punkt der Überarbeitung war, das Thema Menschenrechte und diesbezügliche Vorsorgemaßnahmen substanziell sowohl in die verpflichtenden Standardangaben als auch in die Beschreibung von Managementansätzen einzubringen. Die überarbeiteten Standards stehen dabei im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, den Leitsätzen für multinationale Unternehmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), den OECD-Leitlinien für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln, den Internationalen Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation und den Global Governance Principles des International Corporate Governance Network.
„Wir haben auch die Angaben zur Unternehmensführung in den universellen Standards gestärkt, da wir wissen, dass dies einer der Hauptinteressensbereiche für Investoren ist.“
Judy Kuszewski, Vorsitzende des Global Sustainability Standard’s Board der GRI
Zentrale Änderungen im Überblick
Neuer modularer Aufbau
- GRI 1: Generelle Anforderungen und Prinzipien für die Berichterstattung nach GRI
- GRI 2: Verpflichtend zu berichtende Standardangaben. Hier wurden größtenteils Angaben aus der 102-Serie übernommen, neu kategorisiert und insbesondere mit Blick auf Menschenrechts- und Governance-Angaben geschärft
- GRI 3: Anforderungen und verpflichtende Angaben zur Wesentlichkeitsanalyse
- Sector Standards: Branchenspezifische Themen und Angaben, die bei der Wesentlichkeitsanalyse zu berücksichtigen sind und potenzielle Berichtsthemen darstellen. Bislang existiert nur ein Sector-Standard zu „Oil and Gas“, Standards für Kohle, Bergbau, Landwirtschaft, Aquakultur und Fischerei sind allerdings bereits in der Entwicklung. Insgesamt sollen Standards für 40 Sektoren entwickelt werden
- Topic Standards: unverändert. Themenspezifische Angaben, die in Abhängigkeit von der Wesentlichkeitsanalyse berichtet werden müssen
Berichtsoptionen
- „In Accordance“: Anwendung von GRI 1-3 und Berichterstattung zu wesentlichen Themen der Sector- und Topic-Standards. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Core und Comprehensive mehr – es müssen alle Standardangaben (GRI 2) berichtet werden und zu wesentlichen Themen müssen alle Angaben gemacht oder Auslassungserklärungen formuliert werden. Zusätzlich muss die Wahl der „In Accordance“-Option explizit genannt werden, ein GRI-Inhaltsindex erstellt und die GRI benachrichtigt werden.
- „With Reference“: Selektive Berichterstattung zu einzelnen Standardangaben und Sektor- bzw. themenspezifischen Angaben. Auch hier muss die Anwendung dieser Option explizit genannt werden, ein GRI-Inhaltsindex erstellt und die GRI benachrichtigt werden. Es wird erwartet, dass Unternehmen diese Option nur als Einstieg wählen, um dann zu „In Accordance“ zu wechseln.
Wesentlichkeitsanalyse
Neu ist hier der exklusive Fokus auf potenzielle und faktische, positive wie negative Auswirkungen, die durch die Geschäftstätigkeiten des Unternehmens direkt oder indirekt entstehen. Dabei sollen an verschiedenen Stufen der Wesentlichkeitsbestimmung Stakeholder mit einbezogen werden – die alleinige Stakeholderrelevanz von Themen ist aber kein Entscheidungskriterium mehr für die Aufnahme eines Themas. Eine genaue Definition, was unter Auswirkungen („Impact“) zu verstehen ist, sowie die Anforderungen der Vorgehensweise werden in GRI 3 beschrieben.
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