CSR-Berichtspflicht: Neue Entwicklungen auf EU-Ebene

Am 18.12.2020 wurden im Rahmen einer Online-Konferenz des Bundesumweltministeriums (BMU) die Planungen zur Novellierung der EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD) vorgestellt. Elena Averas von der EU-Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion (GD FISMA) betonte dabei, dass es derzeit nur Überlegungen und noch keinerlei Beschlüsse gibt. Die Pläne auf EU-Ebene sehen vor, dass die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) bis Ende Januar einen Entwurf für einen möglichen Europäischen Standard für nichtfinanzielle Berichterstattung vorlegt. Bis Ende März soll dann ein Entwurf für die Novellierung der NFRD vorgelegt werden. Die Idee ist, dass die zukünftige Richtlinie die Anwendung des EU-Berichtsstandards verpflichtend vorschreibt. Ob es dazu kommt ist noch völlig offen, schließlich müssen die Mitgliedstaaten eine solche Regelung wollen. Sollte die Einigung auf EU-Ebene und die Umsetzung in nationales Recht zügig erfolgen, könnten ab 2024 erstmals Berichte gemäß der neuen Regelung veröffentlicht werden.

Vier Schwerpunkte bei der Überarbeitung der Richtlinie

1. Ausweitung der einbezogenen Unternehmen

Die Rückmeldung aus der öffentlichen Konsultation und auch die Überlegungen der GD FISMA gehen dahin, dass auch große Unternehmen, die nicht kapitalmarktorientiert sind, in den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie einbezogen werden sollen. Da dies auch im Kontext der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs diskutiert wird, gilt diese Anpassung als wahrscheinlich. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, dass zusätzlich auch kapitalmarktorientierte KMU mit einbezogen werden.

2. Verpflichtung zur externen Prüfung

In Frankreich, Spanien und Italien ist eine externe Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung bereits verpflichtend. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich dies in der Praxis auch in anderen EU-Staaten – so auch in Deutschland – bereits weitestgehend etabliert hat, wird eine EU-weite Verpflichtung zu einer externen Prüfung ernsthaft in Betracht gezogen. Die externe Prüfung soll die Verlässlichkeit der Angaben erhöhen. Dies könnte letztlich zu einer Verpflichtung zu einer Prüfung mit hinreichender Sicherheit (Reasonable Assurance) münden. Die Diskussion hierzu ist aber noch nicht abgeschlossen und hängt mit einer Reihe von Herausforderungen zusammen, wie zusätzliche Kosten für Unternehmen, Prüffähigkeit der Informationen oder auch zusätzlich benötigte externe Prüfer.

3. Vorgaben zur Art der Veröffentlichung

Eines der Ziele ist eine stärkere Verzahnung von finanzieller und nichtfinanzieller Berichterstattung zu erreichen. In diesem Zuge werden Überlegungen angestellt, einen EU-weit einheitlichen Ort und Zeitpunkt der Veröffentlichung für beide Formen der Berichterstattung zu definieren. Zudem sollen die Informationen schnell und einfach zugänglich bereitgestellt werden – hier wird insbesondere an Maschinenlesbarkeit gedacht. 

4. Inhaltliche Spezifizierungen und internationale Anschlussfähigkeit

GD FISMA strebt eine möglichst hohe internationale Anschlussfähigkeit an. Diese soll im Rahmen des EU-Berichtsstandards erreicht werden, indem dieser (auszugsweise) Anforderungen zentraler internationaler Standards, namentlich GRI und TCFD, übernimmt. Sofern erforderlich behält man sich vor, weitere Anforderungen zu ergänzen. Hierbei ist angedacht, neben einer stärkeren Spezifizierung der zu veröffentlichen Berichtsinhalte auch sektorspezifische Vorgaben zu erarbeiten. Der mögliche EU-Berichtsstandard kann dann als Grundlage für weitere Harmonisierungen dienen. Dabei werden auch die jüngsten Entwicklungen bei der IFRS-Foundation, die sich jetzt auch mit nichtfinanzieller Berichterstattung befasst, mit Interesse verfolgt.


Die Aufzeichnung der Konferenz wird nach Weihnachten auf der Website des BMU hier verfügbar sein.

Über aktuelle Entwicklungen der CSR-Berichtspflicht und die Sustainable Finance-Strategie der EU informieren wir auch regelmäßig auf www.csr-berichtspflicht.de

Foto: Guillaume Perigois | Unsplash

„Sustainability Playbooks“

Während nachhaltiges Wirtschaften längst als klarer Beitrag zur Zukunftssicherung bei Großkonzernen und Mittelständlern angekommen ist, ist Nachhaltigkeit in der breiteren Startup- und Venture-Capital-Szene häufig noch unentdeckt. Daher haben die Nachhaltigkeitsberatung akzente, der Startup Accelerator TechFounders und die Venture-Capital-Firma UVC Partners einen Leitfaden für Startups und Venture Capital Firmen entwickelt. Die „Sustainability Playbooks“ liefern für beide Perspektiven eine konkrete Hilfestellung und praktische Tipps, das Thema gezielt anzugehen.

Die durch das interdisziplinäre Team entwickelten Playbooks machen als umsetzungsorientierten Leitfaden und erste zentrale und kostenlose Wissensplattform zum Thema Nachhaltigkeit zahlreiche externe Frameworks, Umsetzungsbeispiele und Best Practices zugänglich. Für Startups geben die Playbooks praktische Umsetzungstipps, wie sie Nachhaltigkeit in ihre Strategie integrieren, materielle Themen – Chancen und Risiken – für ihren langfristigen Erfolg identifizieren, sowie konkrete Ziele und Maßnahmen definieren und Fortschritte bei ihrer Umsetzung messen können. Für Venture Capitalists werden konkrete Schritte und Maßnahmen entlang der fünf Hebel Investmentprozess, die Zusammenarbeit mit Portfolio-Firmen sowie die eigenen Aktivitäten der VCs. Das Designkonzept und die Gestaltung sowie Umsetzung der Website erfolgte durch die Berliner Designagentur loveto.

Praktische und umsetzungsorientierte Hilfestellung, Nachhaltigkeit für den langfristigen Erfolg zu nutzen

Die Initiatoren der Playbooks sind überzeugt, dass insbesondere im Zusammenspiel von Startups und Investoren – von innovativen Geschäftsmodellen, Schnelligkeit und transformativem Wirken auf der einen Seite sowie von Kapitalkraft, Marktzugang und Erfahrung auf der anderen Seite – ein entscheidender Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen geleistet werden kann. Denn „die Geschwindigkeit, mit der wir unsere Wirtschaftsmodelle optimieren und transformieren müssen, ist nur noch in neuen Formen der Kooperation zu realisieren“, betont Dr. Thomas Melde, Managing Partner bei akzente.

Miki Yokoyama, Managing Partner bei TechFounders, ergänzt: „Unser Ziel ist es, mit den ‚Sustainability Playbooks‘ das Bewusstsein bei Venture-Capital-Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit zu schärfen, aber auch Gründer:innen zu inspirieren, selbst aktiv zu werden.“ „Wir glauben, dass die Zusammenarbeit mit Portfolio-Unternehmen, Nachhaltigkeit sowie langfristiges Denken und Handeln in ihre Strategie, Aktivitäten und Prozesse zu integrieren, der größte Hebel für Risikokapitalgeber ist, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen”, so Johannes von Borries, Managing Partner bei UVC Partners.

Mit ihrem Ansatz haben die Playbooks bereits zahlreiche Unterstützer gewonnen, unter anderem die Venture-Capital-Firmen HV Capital, Earlybird, Northzone und Lakestar sowie Organisationen wie den Deutschen Startup Verband, Leaders for Climate Action, Future-Fit oder die Greentech Alliance.

Startups und Investoren – Treiber einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft

Startups als Innovationstreiber werden die wirtschaftliche Transformation maßgeblich mitgestalten. Nachhaltiges Denken und Handeln ist dabei die stärkste Grundlage für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Die Playbooks sollen dabei helfen, das Thema Nachhaltigkeit frühzeitig anzugehen und in der eigenen DNA zu verankern.
Risikokapitalgeber, oder Venture Capitalists, haben wiederum die Hebelwirkung und die Verantwortung, mit ihren Investments ein besseres Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und Governance-Themen (ESG) zu erreichen. Investoren, die dies erkennen und vorantreiben, können damit ihre Portfolio-Risiken minimieren und einen klaren Beitrag zum langfristigen Erfolg ihrer Portfolio-Firmen leisten.
Gleichzeitig ist es für Investoren wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen und auch interne Prozesse und Aktivitäten nachhaltig auszurichten, beispielsweise durch die Reduktion des eigenen CO2-Fußabdrucks oder eine ambitionierte Agenda, die Vielfalt im Unternehmen zu stärken.

Whitepaper „Sustainability in Startups” legte die Basis

Bereits Anfang 2020 befragten akzente und TechFounders insgesamt 282 europäische Startups aus verschiedenen Branchen zur Bedeutung von Nachhaltigkeit. Fast 90 Prozent der teilnehmenden Startups hatten sich damals bereits über die Rolle und Relevanz von Nachhaltigkeit für ihr Unternehmen Gedanken gemacht – die meisten von ihnen gaben aber an, vor substanziellen Umsetzungsherausforderungen zu stehen. Das vollständige Whitepaper „Sustainability in Startups” können Sie hier herunterladen.

 www.sustainability-playbooks.com


Foto: Sustainability Playbooks | loveto

Wir sollten innovativer denken

Aus Anlass des bevorstehenden Endes der UN-Dekade der Biodiversität sprachen wir mit Prof. Dr. Markus Fischer, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Fischer forscht und lehrt an der Universität Bern und am Senckenberg Forschungszentrum Biodiversität und Klima in Frankfurt.

Herr Prof. Fischer, mit dem Jahr 2020 endet die UN-Dekade der Biodiversität. Was hat sie aus Ihrer Sicht gebracht, und in welchen Bereichen hätte mehr passieren müssen?

Die Resultate dieser UN-Dekade sind natürlich extrem ernüchternd. Von den 20 Zielen, die man sich vor zehn Jahren gesetzt hatte, ist nicht ein einziges vollständig erreicht worden. Das ist im aktuellen 5. Global Biodiversity Outlook der UN-Biodiversitätskonvention leider sehr eindrücklich dokumentiert worden. Der Rückgang der Artenvielfalt wurde nicht gestoppt. Es mangelt nach wie vor an einer ganzheitlichen Perspektive, sodass in den relevanten Politikfeldern oft isoliert nebeneinander her gearbeitet wird. Die Ziele, denen man am nächsten kam, waren solche, bei denen es um vor allem Verwaltungsakte ging, also etwa das Erarbeiten von Strategien oder das Ausweisen von Schutzgebietsflächen, letzteres aber leider meist ohne die notwendigen Maßnahmen und Mittel.

Wenn es ganz allein nach Ihren Wünschen ginge, wie müsste die deutsche und europäische Politik den Schutz der Biodiversität verankern?

Die Biodiversität ist in der bisherigen Politik allenfalls ein Nebenschauplatz. Das größte Problem ist, dass unser Lebensstil und die nicht nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen, die wir täglich brauchen, hohe externe Kosten haben. Nur wenn man die an der Natur angerichteten Schäden in Preise, Steuern, Subventionen und Zölle integrieren würde, würden die wahren Kosten offensichtlich. Und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen würden preiswerter und attraktiver.

Prof. Dr. Markus Fischer @ Sam Buchli

Ein weiteres Problem ist, dass Entscheidungsträger und Landnutzer nicht integriert handeln. Die Rahmenbedingungen sind meist so gesetzt, als ob die Natur vor allem zur Produktion von Nahrungsmitteln oder von Holz zu gebrauchen sei. Alle anderen Leistungen der Natur für den Menschen werden weitgehend als selbstverständlich hingenommen, wie zum Beispiel der Beitrag der Insekten zur Bestäubung von Nutzpflanzen, zur Bodenbildung und zur natürlichen Schädlingsregulierung. Hier gibt es aber gerade einen dramatischen Rückgang. Die Erkenntnis, dass mit dem Rückgang der Artenvielfalt auch Ernährungssicherheit und Klimaschutz abnehmen, hat sich noch nicht durchgesetzt. So haben wir auf allen Ebenen – Gemeinden, Länder, Staaten, Staatenverbünde – inkohärente Politiken. Schon allein die Landwirtschafts- und die Umweltpolitik widersprechen sich vielfach.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die gerade beschlossene EU-Agrarreform hinsichtlich der Biodiversität?

Die daran laut geäußerte Kritik überrascht mich nicht. Der finanzielle Förderanteil für Maßnahmen für Umwelt und Biodiversität ist viel zu gering. Wir alle profitieren von 18 verschiedenen Typen von Leistungen der Ökosysteme für den Menschen, die Produktion von Nahrungsmitteln ist nur eine davon. Biodiversitätsschutz, Klimaschutz und Ernährungssicherheit sind eng verzahnt und erfordern integrierte Maßnahmen. Wir sollten innovativer denken, uns zum Beispiel auch die Frage stellen, warum wir eigentlich keine gemeinsame Ökosystempolitik einführen, statt getrennten Landwirtschafts-, Forst-, Gewässer- und Umweltpolitiken.

Es gilt, das Sektorale zu überwinden, um den Mehrwert nutzen zu können, den ein sinnvoller Umgang mit der Natur ermöglicht. Im aktuellen Gutachten des WBGU vom 3. November 2020 haben wir entsprechende Empfehlungen gegeben. Wir stellen darin fünf

Governance vor. Was landwirtschaftliche Produktion und Ernährung angeht, haben wir die Diversifizierung der Landwirtschaft und gesündere Ernährungsstile mit geringerem Fleischkonsum als vielversprechende Wege angesprochen. Hier bieten sich vielfältige Handlungsoptionen für Politik, Landwirtschaft, Handel, Verpflegungsbetriebe und Konsumentinnen und Konsumenten.

Fühlen Sie sich als Experte eigentlich ernstgenommen, wenn einflussreiche Teile der Politik so gar nicht hören wollen, was Sie zu sagen haben?

Als Mitglieder des WBGU ist unsere Politikberatung ja sowohl wissenschaftlich sehr gut fundiert als auch durch die Bundesregierung legitimiert und wird entsprechend auch gehört. Bei der Umweltministerin hatten wir bei der Übergabe unseres jüngsten Gutachtens durchaus das Gefühl, gehört und verstanden zu werden. Um möglichst nützlich zu sein, muss wissenschaftliche Politikberatung Handlungsoptionen aufzeigen, nicht nur Systeme analysieren. Wir versuchen entsprechend, jeweils wissenschaftliche Themen und gesellschaftliche Lösungen zusammenzudenken.

Multilaterale Finanzinstitute haben in den vergangenen Jahren innovative Finanzierungsinstrumente zum Schutz der Artenvielfalt auf den Weg gebracht. Nehmen Sie schon konkrete Auswirkungen davon wahr, oder brauchen wir dafür einen längeren Atem?

Finanzierungsinstrumente, etwa aus dem Umfeld der Natural Capital Investments, könnten überall da helfen, wo sie ausgewogenen, nicht nur einzelnen, Umweltzielen nutzen und wo wirklich das fehlende Geld der entscheidende Engpass ist. Oft sind wir aber zunächst mit schwierigen Fragen der Governance und Partizipation konfrontiert, wie etwa bei schwachen staatlichen Institutionen oder bei Fragen zu gerechter Verteilung und gerechten Preisen in von Unterernährung betroffenen Gebieten. Erst im Zusammenspiel ausgewogener Ziele mit wirkungsvoller Governance und Partizipation können Finanzierungsinstrumente sehr wirksam sein. Sonst geht Geld oft in die falschen Kanäle.

Worin liegt Ihrer Ansicht nach die Verantwortung der Industrie?

Wir können den Rückgang der Biodiversität nur aufhalten, wenn wir nachhaltig produzieren. Bisher verursacht industrielle Produktion externe Kosten, die nicht in die Unternehmenskosten und Produkte eingepreist sind. Es setzt für Konsumenten die falschen Anreize, wenn umweltschädliche Produkte billig sind. Die Nahrungsmittelindustrie hat zum Beispiel noch viel Spielraum, gesünder und umweltfreundlicher zu werden. Wir brauchen auch einen verantwortungsvolleren Umgang mit unseren Lieferketten, etwa in Form von Partnerschaften oder Labels.

In ihren Innovationsleistungen haben alle Unternehmen die Wahl, in welche Richtung sie forschen und investieren wollen. Innovative Ideen für geringeren Ressourcenverbrauch und Kreisläufe sind wichtig. Eine sinnvolle Option sind „nature-based innovations“. Dazu kann der stärkere Einbezug nachwachsender Rohstoffe gehören, etwa im Holzbau. Ein klares Bekenntnis zur Biodiversität heute kann in zehn Jahren ein handfester Marktvorteil sein. Also: a) nachhaltige Produktion, b) Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit lenken und c) keine falschen Anreize setzen, das ist ein guter Weg.


Das Interview ist Teil des alle zwei Monate erscheinenden akzente Politikmonitors. Darin verfolgen wir die Diskussionen und Veranstaltungen rund um Nachhaltigkeit in Brüssel und Berlin, greifen Impulse auf und geben Einblicke. Die neuesten Ausgaben des Politikmonitors stehen Ihnen hier zum Download bereit.

Titelbild: Eran Menashri | Unsplash