Wer das Klima nicht ehrt, ist des Talers nicht wert

Die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) wurden den G20-Finanzministern bereits 2017 vorgelegt. Aber erst allmählich gewinnen sie die Beachtung, die sie verdienen. Inzwischen sprechen sich Zentralbanken, Finanzaufsichten und der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung für die Anwendung von TCFD aus. Auch bei der Novellierung der CSR-Richtlinie der EU sollen sie integriert werden.

Die Logik der Berichterstattung wandelt sich

Das Verdienst von Nachhaltigkeitsberichten ist es, blinde Flecken von Unternehmen besser zu beleuchten als reine Finanzberichte. Doch warum interessieren sich Investoren und Politik zunehmend für die Klimafitness von Unternehmen? Weil sich inzwischen zeigt, dass das Klima zurückschlägt. Während es bislang darum ging, die Umwelt vor den Auswirkungen unserer Wirtschaftsweise zu schützen, geht es nun um den Schutz unseres Wirtschafts- und Finanzsystems. Die langsame Reaktion auf das Problem liegt an einem Dilemma: Fällt die Klimapolitik vermeintlich wirtschaftsfreundlich aus, werden Klimaschutzziele nicht erreicht und die Folgen würden auch Unternehmen treffen. Umgekehrt birgt eine deutlich wirksame Klimapolitik die Gefahr, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinträchtigt wird. Für beide Varianten wird befürchtet, dass die Auswirkungen nicht nur Industrie und Dienstleister treffen, sondern – weil es sich um ein systemisches Risiko handelt – diese sich auch auf die Finanzmärkte durchschlagen. Gerade langfristig orientierte Anleger fordern deshalb bessere Informationen über die Unternehmen, in die sie investieren. Und sie desinvestieren ihre Gelder verstärkt, wenn das Geschäftsmodell oder die Unternehmensstrategie klimabezogene Risiken nicht ausreichend berücksichtigt.

Was Unternehmen wissen sollten …

Die TCFD-Empfehlungen sind überschaubar und bringen doch mehr Klarheit als bisherige Rahmenwerke. Unternehmen, die bereits zu Nachhaltigkeit berichten, sollte TCFD keine Probleme bereiten, denn Klimaschutzziele, Zuständigkeiten und CO2-Emissionen sind bereits bekannt. Ein Risikomanagement ist in großen Unternehmen immer vorhanden. Hier müssen Unternehmen allerdings klarer darstellen, welche Risiken für sie aus dem Klimawandel (physische Risiken), welche aus Klimaschutz (transitorische Risiken) resultieren und wie sie diese im Management berücksichtigten. Das Besondere an den TCFD-Empfehlungen ist, dass Unternehmen auch darlegen sollen, ob ihre Unternehmensstrategie bei unterschiedlichen Klimaschutzszenarien bestehen kann. Wenn ein Unternehmen darüber nicht öffentlich informieren will, sollte es zumindest selbst wissen, wo es steht.

Für eine größere Darstellung klicken Sie bitte auf die Abbildung.
… und was zu tun ist

Die meisten Nachhaltigkeitsberichte folgen den Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI). Die TCFD-Anforderungen werden aber durch die relevanten allgemeinen und themenspezifischen GRI-Angaben nur teilweise abgedeckt. CDP (ehemals Climate Disclosure Project) hat die Empfehlungen weitgehend in seinen Fragebogen integriert. Doch für einen guten TCFD-Bericht genügt es nicht, lediglich CDP-Angaben zu ergänzen. Auch TCFD lebt von den Maßnahmen, die ein Unternehmen durchführt. Deswegen sollten sie

  • ihre Transitionsrisiken sowie physische Risiken für die jeweiligen Geschäftsmodelle ermitteln und bewerten,
  • die Bedeutung dieser Risiken (und Chancen) für die Unternehmensstrategie unter Verwendung von Szenarien untersuchen,
  • einen systematischen Umgang auf operativer Ebene (Risikomanagement) einrichten und
  • diese Risiken systematisch im Governance-System berücksichtigen.

Vielen Transparenzerwartungen im Sinne von TCFD können Unternehmen relativ einfach nachkommen. Um solide aufgestellt zu sein, bedarf es jedoch mitunter grundlegender Anpassungen. Investoren werden sehr genau auf die Reife und das Geschäftsmodell eines Unternehmens schauen und dann unter Umständen ihre „Taler“ abziehen.


Abbildung: Eigene Darstellung, Quelle: TCFD

Bild: veeterzy | unsplash

Corporate Digital Responsibility (CDR)

Die Bertelsmann Stiftung und das Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) haben den Sammelband „Unternehmensverantwortung im digitalen Wandel – Ein Debattenbeitrag zu Corporate Digital Responsibility“ veröffentlicht. 83 Expertinnen und Experten eröffnen darin vielfältige und multiperspektivische Sichtweisen zum Stand und zur zukünftigen Gestaltung der CDR. Das Buch bietet Einblicke in theoretische Grundlagen und gibt Hinweise zur praktischen Umsetzung der digitalen Transformation in Unternehmen, den Chancen und Risiken, die sich im Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz, der digitalen Arbeitswelt sowie der Umsetzung von Nachhaltigkeit ergeben. akzente-Gründerin Sabine Braun und Philipp Hofmann, Senior Manager IT, zeigen in ihrem Beitrag auf, wieso Digitalisierung als eine Aufgabe des CSR-Managements verstanden werden sollte.

Das Buch steht in digitaler Form unter anderem bei akzente als kostenloser Download zur Verfügung und kann als Printausgabe hier bestellt werden.

Ein Interview mit Initiatorin und Mitherausgeberin Birgit Riess, Direktorin der Bertelsmann Stiftung, finden Sie hier.

Foto: geralt | Pixabay – Pixabay License

Damit schaffen wir Rechtssicherheit für Unternehmen

Zum Durcheinander um das geplante Lieferkettengesetz sprachen wir mit dem zuständigen Abteilungsleiter im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gunther Beger.

Eine Reihe prominenter Wirtschaftsverbände macht mobil gegen das Lieferkettengesetz, und der Chef der Wirtschaftsweisen meint, der Schutz der Menschenrechte sei Sache des Staates. Vielen scheint nicht bewusst zu sein, dass sich Deutschland verbindlich zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 bekannt hat.

Der Schutz der Menschenrechte ist unser aller Pflicht, die des Staates, der Wirtschaft und eines jeden Einzelnen. In meinen Gesprächen mit der Wirtschaft unterstreichen Verbände und Unternehmen die Bedeutung von Menschenrechten. Hier sind wir uns alle einig. Und viele deutsche Unternehmen nutzen auch schon ihre Einflussmöglichkeiten, um ihrer Verantwortung für Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette nachzukommen. Hier könnte ich Ihnen zahlreiche Beispiele nennen. 90 Unternehmen sprechen sich ja auch klar für ein Sorgfaltspflichtengesetz aus, darunter viele mittelständische Unternehmen und Familienbetriebe.

Mit einem Gesetz wollen wir nun einheitliche Regeln für alle schaffen. Damit schaffen wir für Unternehmen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit – etwas, das die Wirtschaft durchaus zu schätzen weiß.

Gunter Beger, @BMZ

Gerade im Hinblick auf globale Lieferketten sind Unternehmen gefragt, Menschenrechte zu schützen und zu achten, denn sie können hier viel ausrichten. Wir haben uns als Bundesregierung 2011 zu den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichtet. In diesen Leitprinzipien ist als eine der wichtigsten Empfehlungen der sogenannte „Smart Mix“ verankert: eine gelungene Mischung aus freiwilligen und verbindlichen, nationalen und internationalen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte. Und genau daran arbeiten wir. Wir haben bereits viele freiwillige Initiativen angestoßen, wie beispielsweise das staatliche Textilsiegel „Grüner Knopf“, das diesen Monat seinen ersten Geburtstag gefeiert hat. Die vielen Vorreiter-Unternehmen setzen die Standards schon um und zeigen, dass Mindeststandards und zukunftssichere Arbeitsplätze zusammen passen. Und an den verbindlichen Maßnahmen arbeiten wir gerade: mit einem nationalen Sorgfaltspflichtengesetz ebenso wie mit der Unterstützung einer EU-weiten Initiative.

Wie lange müssen wir in Deutschland noch auf ein Lieferkettengesetz warten?

Bislang hat Deutschland darauf vertraut, dass Unternehmen Menschenrechtsstandards in ihrer Lieferkette freiwillig sicherstellten. Das hat aber nicht funktioniert, wie die Bundesregierung in zwei repräsentativen Befragungen von mehr als 2.200 Unternehmen festgestellt hat. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Weniger als 20 Prozent erfüllen die Vorgaben. Deshalb setzen wir jetzt den Koalitionsvertrag um. Unser Ziel ist eine gesetzliche Regelung noch bis Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021. Das sehen die Deutschen genauso: In einer aktuellen repräsentativen Umfrage sprechen sich drei von vier Befragten für ein Lieferkettengesetz aus. Frankreich, Großbritannien und die Niederlande sind uns hier übrigens voraus.

Was ist eigentlich aus der Beteiligung des Bundesfinanzministeriums und des Auswärtigen Amtes geworden? Ursprünglich waren beim NAP doch fünf Ministerien involviert.

Natürlich beziehen wir alle Ministerien bei der Erarbeitung mit ein. Die Federführung für das Sorgfaltspflichtengesetz wurde vom Bundeskanzleramt aber den drei hauptbeteiligten Ministerien zugewiesen: dem Bundesentwicklungsministerium, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundeswirtschaftsministerium.

Was eine Regelung auf EU-Ebene anbetrifft: Wartet Deutschland auf die EU oder die EU auf Deutschland?

Wir erarbeiten derzeit die Eckpunkte für eine gesetzliche Regulierung – sowohl für Deutschland als auch für die Einbringung in die EU. Brüssel schaut hier genau auf uns und erwartet, dass wir die Eckpunkte auch in die Brüsseler Debatte einbringen. Wenn wir in Deutschland, als größte Volkswirtschaft Europas, ein gut durchdachtes und maßvolles Sorgfaltspflichtengesetz verabschieden, dann sendet das auch ein starkes Signal nach Europa. Unser langfristiges Ziel ist natürlich eine europäische Regelung. Daher unterstützen wir die Initiative von EU-Justiz-Kommissar Reynders, im kommenden Jahr einen EU-Legislativvorschlag vorzulegen.

Könnte die EU nicht einfach den Entwurf der Vereinten Nationen für die rechtsverbindliche Anwendung der UN-Leitprinzipien übernehmen? Einen solchen gibt es ja seit 2019.

Genau das tun wir ja. Das neue Gesetz soll dafür sorgen, dass auch am Anfang unserer Lieferketten grundlegende Menschenrechtsstandards eingehalten werden, wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit. Wir gehen nicht über das hinaus, was die Vereinten Nationen und die OECD ohnehin für Unternehmen vorgeben.


Das Interview ist Teil des alle zwei Monate erscheinenden akzente Politikmonitors. Darin verfolgen wir die Diskussionen und Veranstaltungen rund um Nachhaltigkeit in Brüssel und Berlin, greifen Impulse auf und geben Einblicke. Die neuesten Ausgaben des Politikmonitors stehen Ihnen hier zum Download bereit.

Titelbild: Scott Graham | Unsplash