- Der Verhaltenskodex ist ein erster Schritt in Richtung Integrität.
- Ohne Managementsystem bleibt das Manifest aber eine leere Worthülse.
- Unterschiedliche Arbeitnehmergruppen leben Integrität anders. Das muss bei der Implementierung beachtet werden.
Juristische Meilensteine wie der Foreign Corrupt Practices Act (1977), der International Anti-Bribery Act (1998)(oder der Sarbanes-Oxley Act (2002) führten dazu, dass zahlreiche Unternehmen Rechts-, Compliance- und Risikoprogramme einführten. Das Motiv: Die implementierten Ethikmaßnahmen sollen vor Strafen und hohen Geldbuße schützen. Obwohl eine intrinsische Motivation wünschenswert wäre, motivierte der gesetzliche Veränderungsdruck Unternehmen dazu, die Weichen für integre Geschäftspraktiken zu stellen.
Der Verhaltenskodex, das hierfür gebräuchlichste Instrument, legt formell und allgemeingültig für alle Mitarbeiter fest, was als richtig oder falsch im Unternehmen angesehen wird. In der Praxis werden diese formalen Kodizes von internen und externen Anspruchsgruppen oft frei interpretiert oder ganz vernachlässigt. Dies lässt zurecht zunehmend Zweifel an der Wirksamkeit von Kodizes aufkommen.
Wirkung vor allem in der Entstehung
Ist das Ziel des Verhaltenskodex, ein Eckpfeiler für mehr Integrität zu sein, realistisch? Vor allem die Entwicklung des Dokuments bewirkt oftmals eine Auseinandersetzung mit den Werten des Unternehmens. Manager finden Antworten darauf, was es für ihr Unternehmen heißt, integer zu handeln.
Da man sich an internationalen Rahmenwerken orientiert, unterscheiden sich Verhaltenskodizes oftmals nur geringfügig voneinander. Trotzdem kreiert das Unternehmen einen unternehmensweiten Standard, der für alle gleichermaßen gilt. Als Referenzdokument besitzt es also durchaus seine Berechtigung.
Mit dem Regelwerk darf es nicht getan sein
Jedoch darf das Engagement für integre Geschäftspraktiken nach der Erstellung des Verhaltenskodex nicht aufhören. Aus mangelnder Zeit, Budget oder Leidenschaft bleibt es oftmals bei der Erstellung des Dokuments. Das ist weder glaubwürdig noch effektiv.
Regelkonformes und an Werten ausgerichtetes Verhalten will und muss gepflegt werden. Konkret bedeutet das, dass ethische Unternehmenspraxis ein Managementsystem ähnlich den Themen Controlling oder Finance braucht, um wirksam zu sein. Der Verhaltenskodex sollte somit mit Zielen und konkreten Maßnahmen messbar und entwickelbar werden.
Zielgruppen im Blick behalten
Eine notwendige Maßnahme, um das Regelwerk für Mitarbeiter und Lieferanten zum Leben zu erwecken, sind Integritätsschulungen. Diese fordern und fördern eine tiefere Auseinandersetzung mit den Integritätswerten und -regeln, geben im besten Fall Anwendungsbeispiele und demonstrieren erneut das Commitment des Unternehmens zu seinen Werten. Kurz um: Sie befähigen die Mitarbeiter die oftmals abstrakten Complianceregeln in den Alltag zu übersetzen und anzuwenden.
Zu kurz kommt hierbei aber meist die umfassende Auseinandersetzung mit der Zielgruppe. In der Erstellung der Schulung wird gelegentlich auf Länderspezifika geachtet, sprich es werden Schulungen bzgl. einem Risikoprofil des Landes angeboten. Jenes Vorgehen ist richtig und wichtig, geht aber nicht weit genug.
Für eine erfolgreiche Schulung ist es nötig, sich genauer mit der Zielgruppe und deren Bedürfnissen zu beschäftigen und das Schulungskonzept daraufhin zu schärfen. So sind Arbeitnehmer im Bürokontext oft mit den grundlegenden Complianceregeln vertraut. Eine trockene Wissensvermittlung greift hier zu kurz und schafft durch ein zu geringes Ambitionsniveau Desinteresse. Stattdessen sollte die Schulung komplexere Sinnzusammenhänge aufgreifen und Konfliktsituation realistisch darstellen. Die Arbeiter außerhalb des Bürokontexts haben oft ganz andere Bedürfnisse und Herausforderungen im Arbeitsalltag. Es ist also notwendig die Integritätsmaßnahmen inhaltlich und kommunikativ auf die Zielgruppe zuzuschneiden.
Konsequente Haltung bringt Glaubwürdigkeit
Die Befähigung der Mitarbeiter ethische Entscheidungen zu treffen hängt auch an der Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Nichts ist demotivierender als ein Unternehmen, das Integrität predigt, ohne es in der täglichen Praxis ernst zu nehmen. So ist es notwendig, sich bestehende Zielkonflikte bewusst zu machen und diese so gut es geht aufzulösen.
Wenn beispielsweise die faire Bezahlung aller Geschäftspartner eine Selbstverständlichkeit sein soll, ist die simultan erwünschte Praktik der harten Einkaufspreisverhandlungen ein Kontrast, der zumindest adressiert werden muss. Ansonsten droht der Reputations- und Glaubwürdigkeitsverlust nach innen und außen. Denn: Verantwortung für ethische Geschäftspraktiken zu übernehmen heißt auch, zu entscheiden und zu vermitteln, dass Integrität eine Grundvoraussetzung ist, die im Preiskampf sticht.