Von Plattformkapitalismus zu Plattformkooperativismus?

  • Digitale Plattformunternehmen sind dabei, die Wirtschaft grundlegend zu verändern.
  • Die großen Plattformbetreiber stehen zunehmend in der Kritik.
  • Genossenschaftlich organisierte Plattformen werden als faire Alternativmodelle diskutiert, die das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen.

Die Wirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel: Durch die Digitalisierung und die zunehmende Kommerzialisierung des Internets ist eine Plattform-Ökonomie entstanden, in der digitale Plattformen das zentrale Geschäftsmodell bilden. So gehören Plattformunternehmen wie Amazon, Apple, Google und Facebook, gemessen an ihrer Marktkapitalisierung, zu den 10 wertvollsten Unternehmen der Welt – und überholen damit Unternehmen mit klassischen Geschäftsmodellen deutlich.

Wie ist das rasante Wachstum digitaler Plattformen zu erklären? Im Gegensatz zu Unternehmen mit linearem Geschäftsmodell betreiben digitale Plattformen Wertschöpfung indem sie als Intermediär zwischen Anbieter und Nachfrager fungieren. Ihre Kernfunktionen bestehen darin, die nötige Infrastruktur anzubieten, Standards festzulegen und das Matchmaking zu realisieren. Dabei wirkt der Netzwerkeffekt: Je mehr Anbieter auf der Plattform sind, desto interessanter für Kunden – und umgekehrt. Dadurch können Plattformen sehr viel schneller, grenzkostenarm und risikolos skalieren.

Plattformkapitalismus: Wenige Gewinner, viele Verlierer?

Vom Messenger-Dienst bis zur Wohnungsbörse, vom Essenslieferanten bis zum Fahrdienst, vom Musikportal bis zur Videoplattform: Für viele sind digitale Plattformen nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. In vielerlei Hinsicht machen sie unser Leben heute einfacher und bequemer.

Trotz dieser Vorteile sind Plattformunternehmen in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten. Das Geschäftsmodell „Digitale Plattform“ bringt zahlreiche neue Herausforderungen in Sachen Datenschutz, fairer Wettbewerb, Mindestlohn und Arbeitsschutz mit sich. Kritiker sprechen von Plattformkapitalismus. Diese neue digitale Wirtschaftsordnung nutze die Kommerzialisierung zwischenmenschlicher Aktivitäten und die Bereitstellung kostenloser persönlicher Daten, um enorme Profite zu generieren, ohne die Gesellschaft angemessen an den Gewinnen zu beteiligen.

Plattformgenossenschaften als Alternativmodell?

Aufgrund der geäußerten Kritik gibt es vermehrt Diskussionen, wie die neue Art des Wirtschaftens demokratisch und zum Wohle der Gesellschaft gestaltet werden kann. Ein Alternative, die auch bei der re:publica 2019 in Berlin viel Aufmerksamkeit erhielt, sind genossenschaftlich organisierte Plattformmodelle.

Die grundlegende Idee von Plattformgenossenschaften ist es, durch die aktive Beteiligung von Nutzer*innen am Designprozess, der Organisation und Gewinnverteilung, das technische Herz bestehender digitaler Plattformen in ein kooperatives Modell zu überführen. Die wachsende Bewegung von Plattformgenossenschaften wird als Plattformkooperativismus bezeichnet.

Es gibt bereits einige Beispiele dafür, dass genossenschaftlich organisierte Plattformen gut funktionieren können: Die Green-Taxi-Kooperative in Denver in den Vereinigten Staaten, die über eine App Taxifahrer verbindet und fairmondo, das faire Pendant zum Online-Marktplatz von Amazon.

Dennoch haben es diese Alternativmodelle bislang sehr schwer, auf den Markt zu kommen und sich gegen die großen Player durchzusetzen. Das ist unter anderem auf die große Menge an bereits gesammelten Daten und das vorhandene Finanzvermögen der Digitalkonzerne zurückzuführen, mit denen sie schnell auf Änderungen reagieren und das Matching von Kunden und Herstellern noch effektiver gestalten können.

Nachhaltige Ökosysteme fördern

Plattformgenossenschaften sind keine in sich abgeschlossenen Systeme. Damit sich gemeinwohlorientierte Ansätze entwickeln können, braucht es ein Ökosystem aus genossenschaftlichen Bündnissen mit gemeinsamen Zielen und Werten, die sich durch die Bereitstellung von freier Software und Anschubfinanzierung gegenseitig unterstützen.

Darüber hinaus bedarf es Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen, um gegen die Machtstellung bestehender Plattformen anzukommen. Im Weißbuch Digitale Plattformen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie konkrete Maßnahmen für einen neuen ordnungspolitischen Rahmen veröffentlicht. Weitere Vorschläge sind im Herbst auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung zu erwarten, der diesmal unter dem Motto „Digitale Plattformen“ steht. Um gemeinwohlorientierte Ansätze bestmöglich zu fördern, sollten dort nicht nur mögliche Regulationsansätze, sondern auch Mittel und Wege zur Mitgestaltung von Nutzungsregeln thematisiert werden.

Wann ist menschenrechtliche Sorgfalt angemessen umgesetzt?

  • Der NAP bietet Unternehmen wenig Orientierung, was eine „angemessene“ Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt konkret für sie bedeutet.
  • Der aktuelle Monitoring-Prozess liefert hierfür erste, vage Anhaltspunkte.
  • Unternehmen sind gut beraten, ihre Prozesse menschenrechtlicher Sorgfalt auf einer belastbaren Risikoanalyse aufzubauen.

 

Bis 2020 sollen mindestens 50 Prozent aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die Vorgaben des Nationalen Aktionsplans Menschenrechte (NAP) in ihre Prozesse integriert haben. Ansonsten – so sieht es der Koalitionsvertrag vor – erwägt die Bundesregierung verbindliche gesetzliche Regelungen.

Was ist gut genug, um in einer möglichen Überprüfung durch die Bundesregierung zu „bestehen“?

Abgesehen von der Frage nach der grundsätzlichen Eignung derart formulierter Ziele für einen effektiven Menschenrechtsschutz und ungeachtet der jüngsten politischen Debatten um ein möglicherweise schon früher kommendes „Wertschöpfungskettengesetz“, sehen sich Unternehmen aktuell ganz praktischen Herausforderungen gegenüber: Was ist gut genug, um den Anforderungen des Nationalen Aktionsplans zu entsprechen und in einer möglichen Überprüfung durch die Bundesregierung zu „bestehen“?

 

Standards definiert der Monitoringprozess

Der NAP selbst ist hierfür wenig instruktiv: Unternehmen sollen die in den Kernelementen beschriebenen Prozesse „in einer ihrer Größe, Branche und Position in der Liefer- und Wertschöpfungskette angemessenen Weise einführen.“

Konkrete Kriterien hierfür nennt der NAP nicht. Stattdessen räumt er zusätzlich einen „Comply-or-explain“ Mechanismus und den Vorbehalt „unverhältnismäßiger bürokratischer Belastungen“ ein – beide ebensowenig definiert wie die Erfüllungskriterien. Unter diesen Voraussetzungen obliegt es nun dem Monitoringprozess zu überprüfen, ob eine hinreichende Zahl von Unternehmen NAP-konform ist.

Um dies auf vergleichbare Weise tun zu können, setzt die Bundesregierung auf eine Befragung, die sich in zwei Zyklen an jeweils eine Stichprobe aus 7.000 Unternehmen richtet. Für jedes Kernelement des NAP wendet der Fragebogen verschiedene Bewertungskriterien an, denen wiederum unterschiedliche Umsetzungsniveaus hinterlegt sind. Letztere sind für die befragten Unternehmen ebensowenig zu erkennen wie die Schwellenwerte, nach denen die Bewertung ihrer Managementleistungen als „nicht ausreichend“, „erwartet“ oder „zusätzlich erfüllt“ erfolgt.

 

Anhaltspunkte zur Orientierung

Dennoch offenbaren die bislang veröffentlichten Berichte zur methodischen Vorgehensweise des Monitoringprozesses erste Anhaltspunkte, die eine erste Orientierung erlauben.

So müssen nicht alle Unternehmen dasselbe Umsetzungsniveau erreichen, um als compliant zu gelten. Vielmehr wird dies zwischen Unternehmen variieren – je nach Größe oder dem (häufig branchen- und geschäftsmodellbedingten) Risiko schwerer menschenrechtlicher Auswirkungen. Unternehmen mit geringer Größe, international wenig weit verzweigten Wertschöpfungsstrukturen und einem eher unbedenklichen Produkt- und Dienstleistungsangebot dürften also mit deutlich niedrigeren Anforderungen umzugehen haben.

 

Risiko als Kernelement der Bewertung

Im Monitoringprozess wird die Angemessenheit von Systemen menschenrechtlicher Sorgfalt vor diesem Hintergrund immer im Hinblick auf die „unternehmensspezifische Risikodisposition“ vorgenommen werden. Unternehmen, die diese nicht sorgfältig analysiert haben (Kernelement 2 des NAP), werden in der Evaluierung nicht bestehen – und sich ihrer Menschenrechtsrisiken weder bewusst sein, noch ihrer habhaft werden. Der damit verbundene Aufwand ist überschaubar und mindestens zumutbar, wenn nicht gar wertvoll.

Für den Sommer dieses Jahres hat das BMAS die Ergebnisse einer Studie zu besonders relevanten Risikobranchen und -regionen in den Liefer- und Wertschöpfungsketten der deutschen Wirtschaft angekündigt – ein idealer Startpunkt für eine zielgerichtete, unternehmensindividuelle Risikoanalyse.

 

 

SDG Global Festival of Action: das Wichtigste im Überblick

Das zweieinhalbtägige Festival stand ganz im Zeichen von Handlungsempfehlungen und Lösungsansätzen zur Zielerreichung der internationalen Nachhaltigkeitsziele. Das Programm beinhaltete dabei Themen wie Datenerfassung und statistische Berichterstattung, Politik und Governance sowie Innovation und Campaigning. Organisiert wurde die Veranstaltung von der UN SDG Action Campaign, einer Sonderinitiative des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP). Auch akzente war vor Ort.

 

Tag 1: „Leaving no one behind“

Das war das Motto des ersten Tages – mit Panels und Sessions zu den großen Ungerechtigkeitsfragen und globalen Herausforderungen unserer Zeit. Bei „Tackling inequality in the 21th century“ wurden bekannte Dreiklänge und Akteure – Ökonomie, Ökologie, Soziales; Wirtschaft, Verbraucher, Politik – von Vertreterinnen und Vertretern der UN, UNDP sowie ILO und deren Wirksamkeit für die SDGs diskutiert.

Im Fokus: Der Human Development Report 2019. Dieser wird  Ende diesen Jahres veröffentlicht. Ungleichheit wird darin mittels neu entwickelter Indikatoren allumfassender betrachtet, zum Beispiel über bloße Einkommensunterschiede hinaus. Zudem verknüpft er die 2030 Perspektive mit der SDG-Zielerreichung.

 

Tage 2 und 3: „Making the impossible possible“

Freitag und Samstag folgten dem Leitgedanken der Chancenperspektive – Möglichmacher und deren Ansatzpunkte für das konkrete Tun sollten im Mittelpunkt stehen. Besonderer Schwerpunkt: Städte als Brenngläser nachhaltiger Entwicklung. Vertreterinnen und Vertreter aus BonnUtrecht und New York stellten ihre jeweiligen Strategien unter Einbindung der SDGs sowie den Dialog mit der städtischen Bevölkerung vor. Letzterem hat sich auch die afrikanische Initiative „Global Peace – 100 cities, 100 dialoges“ verschrieben. Bis Ende des Jahres sollen weltweit junge Menschen mit Politikern zu unterschiedlichen SDG-Themen in den intergenerationellen Austausch gebracht werden.

„If we want to change the world, we have to change it with the world.“

Fazit

Ein internationaler Kongress, der die SDGs in diversen Formaten und über ein breites Themenspektrum dargestellt hat – von klassischen Plenar-Debatten bis hin zu kurzen Social-Media-Sessions und Rap-Einlagen in der Lobby.

Primäre Zielgruppe schienen, wider Erwarten sowie entgegen SDG 17 (Partnerships for the goals) und des widerholten Kooperationsaufrufs „raus aus den eigenen Silos und Blasen“, insbesondere der öffentliche / INGO-Sektor. Mehr Unternehmen hätten Diskussionen und Best-Practice-Beispiele sicher bereichert.

 

SDG-Awards: Inspiration aus verschiedenen Orten der Welt

Ein Highlight am ersten Abend: Die Verleihung der SDG-Action Awards mit inspirierenden, kreativen und berührenden Beiträgen aus diversen Kategorien. Hier geht’s zur Übersicht der SDG-Awards– es lohnt sich!