Über den Tellerrand: globaler Fleischkonsum

  • Der globale Fleischkonsum und die CO2-Emissionen daraus steigen stetig an.
  • Immer mehr Unternehmen arbeiten an Alternativen.
  • Ökologische und ethische Fragen neuer Produktalternativen sind oft noch ungeklärt.

Im Erntejahr 2018/19 wird zum zweiten Mal in diesem Jahrzehnt die Getreideernte den globalen Bedarf nicht decken, erwarten sowohl die UN-Welternährungsorganisation (FAO) in Rom als auch der Internationale Getreiderat (IGC) in London. Daran ist vor allem die Dürre Schuld, die weite Teile Europas 2018 erfasst hat – aber auch der Flächen- und Futtermittelbedarf für immer mehr Tiere, die den weltweit steigenden Fleischkonsum bedienen sollen.

Die globale Fleischproduktion hat sich laut der FAO in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht auf 330 Millionen Tonnen (2017). Dieser Trend wird anhalten: Vor allem, weil sich entwickelnde Länder mit zunehmendem Wohlstand westliche Ernährungsgewohnheiten übernehmen und damit eben mehr Fleisch essen. Und die Tiere dafür wollen gefüttert werden. Bereits heute sind mehr als zwei Drittel der weltweiten Agrarfläche Weideland.

Doch industrielle Tierhaltung bedeutet nicht nur Flächenkonkurrenz, sondern verursacht erhebliche CO2-Emissionen. Wächst der Markt für Fleisch- und Molkerei-Konzerne weiter wie bisher, werden die Emissionen daraus bis 2050 um fast 50 Prozent zunehmen. Damit wird der Tierbestand 80 Prozent des CO2-Budgets verbrauchen, das die Menschheit zur Verfügung hat, um das kritische 1,5 Grad-Ziel zu halten (siehe Grafik).

Quelle: https://www.iatp.org/emissions-impossible

 

Vielfältige Alternativen in den Startlöchern

Doch was sind die Alternativen? Der Anteil von Menschen, die vegetarisch oder vegan leben, nahm in den letzten Jahren in vielen Industrienationen zu. Beispielsweise leben etwa 9 Prozent aller Deutschen bereits vegetarisch, 1,4 Prozent sogar vegan, so der Weltagrarbericht. Doch nicht jede oder jeder möchte auf seinen Burger oder Braten verzichten. Und hier gibt es bereits Alternativen.

Seit dem 1. Januar 2018 dürfen beispielsweise in Deutschland Insekten als Lebensmittel verkauft werden, wenn die Unbedenklichkeit nachgewiesen wurde. Bereits seit 2013 empfiehlt die FAO Insekten als Mittel zur Sicherung der globalen Ernährung, vor allem, weil sie eine wertvolle Proteinquelle darstellen. Doch auch wenn deutsche Kunden bereits Insekten-Burger-Patties oder Mehlwurm-Nudeln bei großen Handelsketten kaufen können, müssen Standards für Herstellung und Grenzwerte bei der Krabbeltier-Erzeugung erst entwickelt werden.

Retorten-Fleisch und Drucker-Steak

Eine weitere Alternative zum Steak vom Schlachtrind bieten Hersteller von Retorten-Fleisch, das beispielsweise aus Stammzellen von Nutztieren „gezüchtet“ wird. Schlagzeilen machte hier 2013 der erste schlachtfreie Burger eines niederländischen Unternehmens: Ergebnis jahrelanger Forschung und damals noch 250.000 Euro wert. Momentan liegt der Fokus auf der Skalierung der Produktionsprozesse und der Markteinführung der ersten Produkte in den nächsten Jahren – erfolgreiche rechtliche Zulassungsverhandlungen mit der EU vorausgesetzt.

Eine weitere Idee ganz ohne tierische Rohstoffe: die Herstellung von Fleisch aus pflanzlichem Material mit Hilfe eines 3D-Druckers. Ein israelisches Unternehmen verspricht, dass das Drucker-Fleisch einem echten Steak hinsichtlich Textur und Geschmack in nichts nachsteht.

 

Offene Fragen

Die Alternativen neben Veggie-Wurst aus Ei oder Soja sind genauso vielfältig wie vielversprechend, müssen aber zunächst ihre Massentauglichkeit beweisen. Viele Start-Ups leisten dazu einen großen Beitrag. Allerdings ist heute noch unklar, welche ökologischen oder ethischen Fragen die Massenproduktion von Insekten oder Retorten-Fleisch aufwirft, sollten sie wirklich den aktuellen Fleischverzehr teilweise oder ganz ersetzen.

Wohnen ist mehr als ein Markt

Die Wohnungsnot in den Städten hat die Wohnungsfrage auf der Agenda politischen Handelns und öffentlicher Diskussionen wieder ganz nach oben gerückt. Ob es gelingen wird, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und zugleich noch den Energieverbrauch im Gebäudesektor drastisch zu senken, ist zu einem Prüfstein für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft geworden. Zu den Herausforderungen und den Handlungsmöglichkeiten der Politik sprachen wir mit Bernhard Daldrup, Mitglied des deutschen Bundestags und Sprecher der Arbeitsgruppe für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion.

 

Herr Daldrup, bezahlbares Wohnen ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Wo sehen Sie die größten Hebel der Politik, um bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen zu fördern?

Zunächst ist klar: Es gibt nicht die eine Lösung. Es braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen für mehr Wohnungsneubau und der Sicherung von bezahlbarem Wohnen im Bestand. Die Förderung des Neubaus muss sich dabei auf alle Bereiche beziehen: den Mietwohnungsbau, den sozial geförderten Wohnungsbau und die Eigentumsförderung. Auf dem Wohngipfel wurden wichtige Maßnahmen verabredet, die wir im Parlament mit Tempo umsetzen. Das wird einen deutlichen Schub bringen. Mit weiteren Maßnahmen flankieren wir die bisherigen Anstrengungen, um vor allem Menschen mit geringen Einkommen zu schützen: durch Einschränkungen der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, einem mieterfreundlichen Mietspiegel und einer Reform des Wohngeldes. Weiterhin müssen wir die Baukosten senken. Hierbei spielt die Verschlankung und die bessere Abstimmung der Vielzahl an verschiedenen Bauordnungen eine große Rolle.

Das Thema Boden-Spekulation setzen wir ebenfalls auf die Tagesordnung. Der Umgang mit dem Boden und die Mobilisierung von Bauland sind wichtige Schlüssel für die Lösung der Wohnungsfrage. Bauland ist neben hohen Baukosten und begrenzten Baukapazitäten ein wesentlicher Engpass und Kostenfaktor bei der Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum. Unsere Vorschläge dazu werden wir im Sommer vorlegen.

 

Private Wohnungsunternehmen stehen aktuell in der Kritik, die Mieten in die Höhe zu treiben, um ihre Gewinne zu maximieren. Kann die Politik gegensteuern?

Ich halte nichts davon, irgendjemanden den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir müssen jetzt weiter daran arbeiten, mehr Wohnraum zu schaffen. Eins ist sicher, der Markt allein wird es nicht richten. Daher brauchen wir mehr Verantwortung in den Händen von Bund, Ländern und Kommunen. Ein Weg ist, dass der Staat wieder selber baut. Zum Beispiel durch kommunale Wohnungsbauunternehmen. Wenn die Konzerne nicht länger Sündenbock sein wollen, müssen sie aktiver werden. Ich spreche hier von einem New Deal zwischen der öffentlichen Hand und Immobilieneigentümern. Dieser Deal kann zum Beispiel beinhalten, dass private Unternehmen, die sich zu bestimmten solidarischen Kriterien verpflichten, etwa Steuervorteile erhalten oder bei der Vergabe von öffentlichen Grundstücken bevorzugt behandelt werden. Dieser Deal braucht auch Fairness-Regeln zwischen Eigentümern und Mietern. Ich denke, wer im Interesse der Mieterinnen und Mieter baut und nicht ausschließlich für den eigenen Profit, soll vom Staat in besonderer Weise unterstützt werden. Das Miteinander muss sich auszahlen.

 

Gebäude sind für rund zehn Prozent der bundesweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Brauchen wir ein Klimaschutzgesetz, das klare Reduktionsziele vorgibt?

Ziel ist es, einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 zu erreichen. Das ist eines der ambitioniertesten Vorhaben. Daher braucht es verbindliche Ziele, um auch Verantwortlichkeiten klar zu regeln.

 

Sind die Aspekte ‚bezahlbarer Wohnraum‘ und ‚klimaneutrale Gebäude‘ miteinander vereinbar? Welche Ansätze sehen Sie dafür?

Die Aspekte soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gehören untrennbar zusammen. Alle drei stehen gleichrangig nebeneinander und müssen beachtet werden. Wir stehen vor der Herausforderung, dass jahrzehntelang der Flächenbedarf beim Wohnen gestiegen ist. Das ist nichts Schlechtes, aber wir müssen darauf reagieren. Wir müssen Strategien entwickeln, um die Flächenneuinanspruchnahme zu vermindern. Eine weitere Überlegung ist, wie man mit anderen Grundrissen mehr Grundfläche zum Wohnen erreichen kann. Das Aufstocken von Gewerbeimmobilien, wie z.B. Supermärkte, kann ebenfalls eine Lösung sein.

 

Interviewpartner Bernhard Daldrup, Mitglied des deutschen Bundestags und
Sprecher der Arbeitsgruppe für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion

 

Das vollständige Interview und weitere Informationen zur Renaissance der Regulierung und nachhaltigkeitsrelevanten Entwicklungen in Berlin und Brüssel finden Sie im aktuellen Politikmonitor.

UN Global Compact und B Lab entwickeln SDG-Plattform

Der Global Compact der Vereinten Nationen entwickelt zusammen mit B Lab eine neue, weltweite Online-Plattform für Unternehmen. Diese soll dabei helfen, die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) erfolgreich zu steuern. Unternehmen erhalten die Möglichkeit, ihre Leistungen im Hinblick auf die globalen Ziele zu bewerten, zu vergleichen und zu verbessern. Darüber hinaus soll das Tool den Austausch untereinander fördern.

Die Basis bilden ausgewählte Metriken aus dem B Impact Assesment sowie neu erarbeitete Leistungskennzahlen. Letztere wurden unter Mitwirkung von Experten des UN Global Compact und seiner Partner entwickelt. Aufgrund unserer Expertise wurde akzente ausgewählt bei der Ausarbeitung des SDG-Ziels 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) mitzuwirken: Durch den Austausch von Erkenntnissen und Fachwissens sowie der Teilnahme an Interviews, Fokusgruppen und Telefonkonferenzen. Wir bedanken uns für das Vertrauen und freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit!

Unterstützt wird die Initiative von Emmanuel Faber, dem kanadischen International Development Research Centre, der Robert Wood Johnson Foundation, der Skoll Foundation und dem britischen Department for International Development. Der Launch der öffentlich zugänglichen Plattform ist für das Jahr 2020 geplant.


Im September 2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDG). Die globalen Nachhaltigkeitsziele sollen bis bis 2030 weltweit erreicht werden, berücksichtigen alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Soziales, Umwelt und Wirtschaft) gleichermaßen, sind unteilbar und bedingen einander gegenseitig. Thematisch zielen die SDGs unter Anderem auf die Beseitigung von Armut und sozialer Ungleichheit, dem inklusiven Zugang zu Bildung und innovativer Infrastruktur für alle bis hin zum Aufbau nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster. Die 17 Ziele richten sich dabei sowohl an die nationalen Regierungen, als auch deren Zivilgesellschaften, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft weltweit.


Titelfoto: Jon Tyson | Unsplash

Next Growth – Wachstum neu gedacht

Der seit Jahren anhaltende Wirtschaftsboom kommt ins Stocken. Zeit, sich über Konzepte Gedanken zu machen, die Wachstum neu denken. Next Growth setzt auf die „doppelte Entkopplung“ und verspricht weniger Ressourcenverbrauch bei mehr Lebensqualität. Auch wir stellen uns die Frage: Wieviel ist eigentlich genug? Was heißt Wachstum? Und sind ökologischer und sozialer Mehrwert nichts wert? Darüber diskutierten wir am 28. März 2019 bei „Cornelius kocht“ mit demWirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. André Reichel, Herausgeber der Studie „Next Growth“, und dem Unternehmer Georg Schweisfurth sowie vielen weiteren Gästen.

Wachstum als kulturelles Phänomen

Prof. Dr. André Reichel beschreibt den Begriff des Wachstums als kulturelles Phänomen, der unsere Gesellschaft zu dem gemacht habe, was sie heute ist. Eben darum sei es so schwierig, die gelernte Gleichung „Erfolgreich wirtschaften = Wachstum“ aufzulösen und neu zu denken. Dabei merken wir schon lange: Klimawandel können wir nicht rein mit Effizienzrechnungen begegnen. Reichel plädiert daher dafür, Wachstum nicht nur aus der Sicht des Mehrwerts zu beleuchten, sondern auch immer den „Leid-Wert“ im Blick zu haben: Nicht alle profitieren automatisch, wenn es ums Wachstum geht und auch soziale und ökologische Aspekte haben ihren Wert.

Eine Frage der Werte

Dabei ist die Debatte um Next Growth auch eine Wertedebatte. Diese sei gerade im Mittelstand erkennbar, denn dort ginge es nicht nur um Wachstum, sondern ebenfalls darum, Mitarbeiter zu halten und Herausforderungen wie der Digitalisierung erfolgreich zu begegnen – ohne dabei die Unternehmenswerte zu verlieren. Reichel ist davon überzeugt, dass Veränderung in Nischen beginnen – und dass Mitarbeiter eine hohe Wirksamkeit für Veränderung bei ihrem Arbeitgeber haben können. Sind ihnen ökologische und soziale Aspekte wichtig, müssen Unternehmen reagieren, um sich im Arbeitsmarkt zu behaupten.

Das Gute darf wachsen – wenn‘s gut ist

Der Münchner Unternehmer Georg Schweisfurth erzählt im Anschluss von seinem beruflichen Werdegang vom gelernten Metzger zum Öko-Pionier. Sein Vater Karl Ludwig Schweisfurth leitete das Unternehmen Herta, den größten Fleisch verarbeitenden Konzern Europas. Nach dem Verkauf erfolgte eine radikale Kehrtwende und eine Hinwendung zur ökologischen Landwirtschaft. Als Mitinitiator der Hermannsdorfer Landwerkstätten und -gründer der Bio-Supermarktkette Basic stellt sich Georg Schweisfurth oft die Frage: Wie viel wollen wir wachsen und ab wann gefährdet Wachstum unsere Werte oder unser Qualitätsversprechen? Schweisfurth ist aber auch überzeugt, dass es ein gewisses Mengenwachstum braucht. „Und das Gute darf ja auch wachsen – wenn‘s gut ist.“


Wir bedanken uns herzlich für die inspirierenden und anregenden Impulsvorträge von Prof. Dr. André Reichel und Georg Schweisfurth sowie bei unseren Gästen, die mit uns diskutiert und sich mit uns auf Sinnsuche begeben haben!


Impressionen von „Cornelius kocht“ am 28. März 2019

 

Im Rahmen von Cornelius kocht begrüßen akzente, fors und sustainable regelmäßig interessierte Gäste bei einem ungezwungenen Abend, um sich bei Wein und Pasta mit selbst gemachtem Pesto über aktuelle Themen der Münchner Nachhaltigkeitsszene auszutauschen.


Titelfoto: Chris Barbalis | Unsplash; Fotos: Nina Vogt