Geoengineering: Können technologische Eingriffe unser Klima retten?

Wie aussichtsreich erscheint es Ihnen, das globale Klima durch technische Eingriffe derart zu beeinflussen, dass das 2-Grad-Ziel noch erreicht wird?

Dr. Johannes Meier: Die weitaus meisten Klimawissenschaftler sind sich einig, dass das 2-Grad-Ziel mit Transformationen unserer Energieerzeugung, unseres Energieverbrauchs, unserer Mobilitäts- und Transportsysteme und unserer Industrieproduktion erreichbar wäre, wenn es uns gelingt, diese Transformationen tiefgreifend und schnell zu gestalten. Je später und je weniger konsequent diese Transformationen implementiert werden, desto mehr verweisen die Modelle der Transformationspfade auf stark wachsende Kosten und auf die Notwendigkeit großflächiger, technischer Eingriffe in unsere Ökosysteme.

Zunächst nehmen viele der Modelle der Transformationspfade zu einer 2-Grad-Welt des Weltklimarates (IPCC) bereits signifikante negative Emissionen in der zweiten Jahrhunderthälfte an, zum Beispiel mittels BECCS (Biomasseverbrennung mit Carbon Capture and Storage). Die großflächige Nutzung von Land für BECCS-Plantagen birgt das Risiko einer signifikanten Reduktion der globalen Waldfläche und Biodiversität und massiver Konflikte um Frischwasser. Noch weit weniger verstanden sind die Wirkungsmechanismen und Risiken des solaren Geoengineerings, wo technische Eingriffe den Einfall der Sonnenstrahlung beeinflussen sollen – beispielsweise durch das großflächige Versprühen von Aerosolen in die Stratosphäre. Ich bin sehr skeptisch, dass technische Ansätze, die nur Symptome der Erderwärmung adressieren, angemessen sein können, um ein systemisches Problem, welches insbesondere auch die Versauerung von Ozeanen umfasst, lösen können.

Die internationale Staatengemeinschaft bemüht sich, die Produktion von CO2 einzusparen, um die Erderwärmung abzubremsen. Weshalb ist sie bei Geoengineering als weitere Maßnahme so zurückhaltend?

Meier: Zunächst ist unser Wissen um Wirkungsmechanismen und Risiken von Geoengineering höchst rudimentär. Klar ist jedoch, dass selbst ein erfolgreiches solares Geoengineering nur eine schädliche Wirkung der Treibhausgase adressieren würde und dies nur auf globaler Ebene. Die Versauerung der Ozeane würde weiter zunehmen und lokale Temperaturen und das Klima würden sich auch bei einer Stabilisierung der globalen Temperatur mittels solarem Geoengineering dramatisch verändern. Die internationale Staatengemeinschaft fürchtet zu Recht die entstehenden Konflikte, wenn ein Land zu Lasten anderer Staaten vom Geoengineering profitieren würde.

Da die Wirkung von Geoengineering Ländergrenzen überschreitet, müsste staatliche Regulierung von technischen Maßnahmen durch die internationale Staatengemeinschaft erfolgen.

Wenn weiter nur private Unternehmen Geoengineering durchführen, wie müsste staatliche Regulierung aussehen, um die Risiken abschätzen und kontrollieren zu können?

Meier: Da die Wirkung von Geoengineering Ländergrenzen überschreitet, müsste staatliche Regulierung von technischen Maßnahmen durch die internationale Staatengemeinschaft erfolgen. Es ist schwer vorstellbar, dass Länder tatenlos zusehen würden, wenn ein privates Unternehmen oder ein anderes Land eine Geoengineering-Intervention durchführt, die in katastrophalen, lokalen Klimafolgen in diesen Ländern resultiert. Nachdem ich aus der Nähe die Schwierigkeiten erlebt habe, einen Konsens und eine globale Governance in Form des Klimaabkommens beim Klimagipfel in Paris herbeizuführen, fehlt mir die Fantasie, wie sich die internationale Staatengemeinschaft auf eine differenzierte Regulierung von Geoengineering-Interventionen und die Kompensation von Schäden zwischen betroffenen Ländern einigen könnte.

 

Das vollständige Interview und weitere Informationen zu Geoengineering und nachhaltigkeitsrelevanten Entwicklungen in Berlin und Brüssel finden Sie im aktuellen Politikmonitor.

akzente feiert Jubiläum: 25 Jahre Beratung für Nachhaltigkeit

In ihrer gemeinsamen Ansprache betonten die Geschäftsführer Sabine Braun und Dr. Thomas Melde, wie wichtig es sei, ständig für Veränderungen offen zu sein. Denn der gesellschaftliche Wandel fordere Unternehmen immer wieder neu heraus: „Wir sind überzeugt, dass Unternehmen, die sich mit der Gesellschaft vernetzen, Entwicklungen besser verstehen und innovativer sein können“, sagt Sabine Braun, die das Unternehmen vor 25 Jahren gegründet hat.

Seither prägte akzente die Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und ist heute in Deutschland Marktführer sowie europaweit die Nummer drei. Das Beratungsspektrum hat sich mit den Jahren kontinulerlich erweitert und umfasst neben Reporting auch Strategie, Wertschöpfungskette und Lieferantenmanagement, Stakeholderdialog, Kommunikation und gesellschaftliches Engagement.

SDGs in Action – auf Erfolgskurs oder schon abgeschlagen?

2015 haben die Vereinten Nationen (UN) mit den Sustainable Development Goals (SDGs) eine ambitionierte Vision der Welt im Jahr 2030 erarbeitet, die drängenden Fragen unserer Zeit nachgehen. Alle 193 Mitgliedsstaaten haben sich darauf verständigt, ihren Beitrag zu den 17 Zielen mit insgesamt 169 Unterzielen zu leisten. Nun liegt es an allen, diese umzusetzen: Nationalstaaten und lokale Regierungen, Unternehmen und NGOs sowie jeder Einzelne als Bürger einer globalen Gesellschaft. Wie weit sind wir? Ein Blick auf den Status quo.

Der Handlungsbedarf ist groß, wenn wir die globalen Ziele bis 2030 erreichen wollen. Mut macht, dass viele dem Aufruf der UN gefolgt sind: Stiftungen und NGOs haben Maßnahmen angestoßen, öffentlich-private Partnerschaften sind entstanden, Unternehmen haben Stellung bezogen, um die SDGs Realität werden zu lassen. Sie alle gehen einer Frage nach: Was müssen wir heute tun, damit wir morgen noch ein gutes Leben führen können?

Skandinavien glänzt, Deutschland im Mittelfeld

Zunächst fordern die globalen Ziele insbesondere staatliche Regierungen dazu auf, nationale Aktionspläne zu erarbeiten – jeweils mit Blick auf landesspezifische Bedingungen. Hoffnung machen die Entwicklungen im Globalen Süden: Die Kindersterblichkeitsrate der unter Fünfjährigen in Subsahara Afrika ist um 35 Prozent gesunken. In Südasien ist das Risiko für Mädchen, vor Volljährigkeit verheiratet zu werden, um mehr als 40 Prozent zurückgegangen.

Die Industrieländer kommen ihrer Vorbildrolle bisher nur teilweise nach, so das aktuelle SDG-Ranking der Bertelsmann Stiftung. Bei den G20-Ländern ist es insbesondere die fehlende Verankerung in nationalen Regelwerken, die Fortschritte in der Umsetzung verlangsamt. Zwar stehen ganz oben im Ranking Schweden, Dänemark und Finnland, Deutschland folgt auf einem guten vierten Platz. Doch wenn man näher hinschaut, bröckelt die Fassade. So produzieren die Deutschen laut Bertelsmann Stiftung jährlich etwa 22 Kilogramm Elektroschrott pro Kopf und stehen damit dem Konsumweltmeister USA in nichts nach. Alles andere als ein gutes Ergebnis in Bezug auf nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster (SDG 12). Es ist noch einiges zu tun, denn auch das zeigt die Studie: Kein Land ist derzeit auf dem Weg, alle Ziele bis 2030 zu erfüllen.

New York legt umfassenden Aktionsplan vor

Insbesondere Städte werden immer stärker zum Brennglas gesellschaftlicher Entwicklungen. Bereits heute leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Räumen. Die Aussicht, dass sich künftig immer mehr Menschen immer knapperen Lebensraum teilen, zwingt Städte zum Umdenken. Städte und ihre Verwaltungen gewinnen damit eine neue Verantwortung – gemäß dem UN-Leitspruch „Think global – act local“.

New York als wachsende Metropole und orkangeplagte Küstenstadt hat bereits 2015 mit „OneNYC“ ein ambitioniertes Programm zur Umsetzung der globalen Ziele vorgelegt. Bis 2050 sollen die Stadtbewohner die sauberste Luft im amerikanischen Städtevergleich einatmen und Treibhausgasemissionen um 80 Prozent gesenkt werden. Genauso ehrgeizig ist der Plan, 800.000 New Yorkern bis 2025 aus der Armut zu helfen. Der Aktionsplan scheint zu funktionieren: Die Arbeitslosigkeit ebenso wie die Zahl von Menschen in Armut sindauf einem Rekordtief. Die Zahl von Verkehrsunglücken ist auf dem niedrigsten Stand seit 1910, auch weil die Stadt massiv in die Infrastruktur wie beispielsweise geschützte Fahrradwege investiert hat. Logisch, dass New York in diesem Jahr vor den Vereinten Nationen über den eigenen Fortschritt berichtete – bisher als erste und einzige Stadt.

Auch in Europa finden sich regionale Initiativen für eine nachhaltige Entwicklung. Die europäische Fahrradhochburg Kopenhagen zählte 2016 in der Innenstadt erstmalig seit 1970 mehr Fahrräder als Autos. München hat sich 2016 offiziell zu den SDGs bekannt und mit der „Ausbauoffensive Erneuerbare Energien“ einen ehrgeizigen Plan vorgelegt: 2040 will sie die erste deutsche Großstadt sein, die Fernwärme für die Haushalte ihrer Bürger zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien speist – ganz im Zeichen von SDG 7, das für bezahlbare und saubere Energie steht.

Viel Aktionismus und viele Fragen bei Unternehmen

Die Bemühungen von Staaten und lokalen Regierungen allein reichen jedoch nicht. „Der Privatsektor ist ein unerlässlicher Partner für die Erreichung der Sustainable Development Goals“, sagte Ban Ki-Moon, ehemaliger UN-Generalsekretär kurz nach Verabschiedung der SDGs.

Bislang zeigen sich die Unternehmen engagiert und nehmen die Herausforderung an – trotzdem stellt sich die Frage, wie sie zu den vornehmlich für Staaten formulierten Zielen beitragen können. Nur ein Drittel der Unternehmen priorisiert die Oberziele und setzt überhaupt einen Fokus in ihrem Bemühen. Nur wenige Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter, wie eine Studie des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) zeigt: Durchschnittlich vier von zehn Unternehmen beziehen auch die Unterziele in ihre Analysen ein. Ein Großteil trifft hingegen nur allgemeine Aussagen zu gleich allen 17 Zielen. Damit werden die Unternehmen zwar aktiv – zielführend ist dieses Vorgehen allerdings nicht.

Viele bleiben auf Ebene der Oberziele

Während die SDGs bei strategischer Anknüpfung ans Kerngeschäft und Impactmessung bisher für viele Unternehmen sperrig bleiben, so sind sie als Kommunikationsmittel äußerst beliebt. Ein Großteil der Unternehmen nutzt die bunten SDG-Quadrate für die Berichterstattung, viele bleiben dabei aber auch hier auf Ebene der Oberziele. Der Vorwurf des „Rainbow Washing“ steht schnell im Raum: Unternehmen sollten, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, die SDGs nur dann kommunikativ einsetzen, wenn sie tatsächlich zur Erreichung der globalen Ziele beitragen.

Jeder ist gefordert

Am Ende wird es darauf ankommen, dass wir alle unsere Chancen ergreifen und – ganz im Sinne der UN-Kampagne „Be the Change“ – jeder Einzelne von uns aktiv wird. Es ist an uns, neue Lösungen zu entwickeln und Innovationen voranzutreiben, um den globalen Herausforderungen zu begegnen. Denn jeder kann und muss einen Beitrag leisten, damit wir und kommende Generationen ein gutes Leben auf der Erde führen können.