Sustainable Finance: Geld für eine bessere Welt

Investitionen von jährlich rund 180 Milliarden Euro sind notwendig, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, schätzt die Europäische Kommission. Auch in anderen Feldern einer nachhaltigen Entwicklung ist der Geldbedarf groß.

Da dem Finanzsektor damit eine zentrale Rolle bei der Transformation unserer Gesellschaft zukommt, hat die Kommission eine „High Level Expert Group on Sustainable Finance“ eingesetzt. Ihre Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft und ein Aktionsplan setzen auch die neue Bundesregierung unter Druck.

akzente sprach über aktuelle Entwicklungen im Finanzsektor mit Claudia Tober, Geschäftsführerin beim Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) – dem Fachverband für nachhaltige Investments in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz.

Frau Tober, wie nachhaltig ist  der Finanzsektor in Deutschland derzeit aufgestellt?
Claudia Tober: Nachhaltige Investments finden in Deutschland immer stärkere Verbreitung. Wie der FNG-Marktbericht 2017 ausweist, ist der Markt 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent auf knapp 157 Milliarden Euro angewachsen. Der nachhaltige Anlagemarkt hat so seit 2008 jedes Jahr stärker als der konventionelle zugelegt. Der Marktanteil von 2,8 Prozent ist aber durchaus ausbaufähig. Wird eine breitere Marktdefinition zugrunde gelegt, kann sich Deutschland weitaus höherer Volumina rühmen. Bei über 1,5 Billionen Euro finden einzelne Kriterien oder Anlagestrategien Anwendung. Trotz der großen Wachstumsraten, wie auch dem Trend bei der breiteren Erfassung, muss konstatiert werden, dass Deutschland im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld anzusiedeln ist.

Die Finanzwirtschaft als solche, haben wir in einer Studie im letzten Jahr untersucht: Green Economy – Recherche zum IST-Stand nachhaltige Finanzwirtschaft. Neben den tradierten Akteuren und Initiativen gibt es eine Vielzahl die neu an das Thema nachhaltige Finanzwirtschaft andocken. Ebenso bietet der Bereich der informellen und formellen Regulierungen eine Fülle an Anknüpfungspunkten. Politische Initiativen (national und international) waren gerade in der jüngsten Vergangenheit wesentlich stärker aktiv bzw. haben sich neu gegründet, z. B.: G20, COP’s, HLEG on Sustainable Finance, EU-Aktionsplan, H4SF, Accelerating Sustainable Finance Initiative.

Welche Rolle  kommt den Empfehlungen der „High-Level Expert Group on Sustainable Finance“ und dem aktuellen Aktionsplan zu?
Der HLEG-Abschlussbericht schlägt in einem ganzheitlichen Ansatz umfassend Maßnahmen vor, wie der Finanzmarkt nachhaltig auszurichten ist, damit die EU-Umwelt- und Sozialziele erreicht und gleichzeitig die Finanzmarktstabilität gesichert werden kann. Die Expertengruppe stellt klar, dass Sustainable Finance gerade nach den Finanz- und Währungskrisen der letzten Jahre sehr gut geeignet ist, nach der kurzfristigen Stabilisierung des Finanzsystems eine nachhaltige, sprich langfristig orientierte Finanzwirtschaft zu entwickeln. Mit unserer Geschäftsführerin Flavia Micilotta von Eurosif war das FNG nah an den Prozessen dran.

Nun ist die EU-Kommission mit der Umsetzung am Zuge, die im März einen Aktionsplan für Sustainable Finance vorgelegt hat, dieser hat viele Empfehlungen der Gruppe aufgenommen und setzt damit ein Fundament für einen stärkeren Sustainable Finance Sektor.

Wie kann  die neue  Bundesregierung einen  konkreten Beitrag zu einem  nachhaltigen Finanzsektor leisten?
Die Umsetzung des EU Aktionsplans samt Konsultationen kommt nun auf die Bundesregierung zu, hier kann sie ambitionierte Ziele verwirklichen. Grundsätzlich können derzeit schon Maßnahmen auf nationaler Ebene ergriffen werden: Staatliche Vorbildfunktion bei eigenen Vermögen und Finanzierungen, Etablierung eines nachhaltigen Leuchtturms, Einführung von nachhaltigen Kriterien bei staatlich geförderten Produkten, Etablierung der „Nachhaltigen Frage“ für Privatkunden, Implementierung bei den Treuhand- und Investorenpflichten, Offenlegung von Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken, z. B. analog zu dem französischen Artikel 173 des Energiewendegesetzes.

Wie sieht der Bankensektor aus Ihrer Sicht in 15 Jahren aus?
Das ist eine vielschichtige Frage. Banken kommt in jeder Volkswirtschaft eine bedeutsame und unverzichtbare Rolle zu. Die regulatorischen Anforderungen zum Erhalt der Finanzmarktstabilität waren hoch. In Bezug auf Nachhaltigkeit wird der Bankensektor auch eine unverzichtbare Rolle spielen, denn die Finanzierungsvolumina für die notwendige Wendenpolitik (sei es Mobilitäts-, Agrar-, Energiewenden) sind ohne aktive Einbeziehung des Sektors kaum zu schaffen. Der Anteil nachhaltiger und verantwortlicher Investments wird den Markt in größerem Umfang erobern, sowie die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kreditvergabe werden gang und gäbe sein.

 

Der Beitrag ist Teil des akzente Politikmonitors, der alle zwei Monate erscheint. Darin wollen wir die politischen Nachhaltigkeitsdiskussionen intensiv verfolgen, Impulse aufgreifen, Einblicke vermitteln und Wissenswertes weitergeben.

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Umsetzung des CSR-RUG

So sperrig das klingt, so ist es auch. Denn die Verankerung der nichtfinanziellen Erklärung in der Lageberichterstattung fordert zumindest im ersten Anlauf formale Verrenkungen statt sinnvoller Beschäftigung mit Nachhaltigkeit. Ein klassischer Fall von „gut gemeint“?

Das CSR-RUG, sprich das CSR-Richtline-Umsetzungs-Gesetz, hat die europäische Berichtspflicht für nichtfinanzielle Informationen zum April 2017 in deutsches Recht übertragen. Abgesehen davon, dass man hierzulande mal wieder viel zu spät dran war mit der Umsetzung, hat man dann – ebenso wohlmeinend wie unkundig – gleich noch ein paar Abweichungen von den Rahmenvorgaben der Europäischen Union beschlossen: Die nichtfinanzielle Erklärung muss in Deutschland bereits vier statt sechs Monate nach Bilanzstichtag vorliegen und soll vom Aufsichtsrat geprüft sein. Chapeau! Das kann nur beschließen, wer betriebliche Realitäten gar nicht kennt. Aber zugleich – anders als die Schweden – vor der möglichen Verpflichtung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zurückscheuen. Pingeligkeiten im Kleinen können die Angst vor großen Würfen nicht wettmachen. Warum nicht wenigstens eine Verschärfung erst nach zwei Jahren Einführungsfrist? Das wäre eine realitätsverträgliche politische Rahmensetzung gewesen.

Verschiedene Formate
Als reportingerfahrene Beratung, die aktuell mit weit mehr als 20 nichtfinanziellen Erklärungen umgeht – von integrierten nichtfinanziellen Erklärungen im Lagebericht über getrennt publizierte knappe Erklärungen als PDF bis hin zu Nachhaltigkeitsberichten, die parallel zum Geschäftsbericht erscheinen und die nichtfinanzielle Erklärung abdecken – haben wir manche Überraschung erfahren, viele Diskussionen geführt, Absonderliches erlebt und auch hilfreiche Hinweise bekommen.

Wir haben mit allen großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammengearbeitet und konnten dabei große Unterschiede, Schwerpunkte und Zielrichtungen feststellen, je nachdem, wie erfahren die Prüfer in Sachen nichtfinanziellen Reportings waren. Die GRI Standards zu kennen, heißt noch längst nicht, sie zu verstehen. Die Diskussionen um das, was zu berichten ist, gestalteten sich ebenso unterschiedlich wie die Prüftiefe. Um nun kurz die wichtigsten „Knackpunkte“ herauszugreifen:

Leistungsindikatoren: Was ist bedeutsam?
Manche Unternehmen veröffentlichen ohne groß mit der Wimper zu zucken fast alle Kennzahlen, die sie im Nachhaltigkeitskontext erheben. Andere nehmen den Begriff „bedeutsame Leistungs-indikatoren“ so ernst, dass sie keine einzige Kennzahl veröffentlichen. Der Vorbehalt der Steuerung mag für beide Unternehmen aber gleich gegeben sein. Denn wo schon wird heute mit Nachhaltig-keitskennzahlen auf oberster Ebene gesteuert – leider.

Allerdings: Wer will, kann auch das Argument aushebeln. In den vielfältigen Kommentaren zur Umsetzung des CSR-RUG wurde zurecht darauf hingewiesen, dass auch unterhalb des Vorstands von Steuerungsrelevanz gesprochen werden kann, wenn beispielsweise Umweltbeauftragte die Abfallkennzahlen zur Optimierung des Entsorgungs-managements nutzen. Man kann sich nun sozusagen aussuchen, welcher Linie man folgen möchte.

Wesentlichkeit: Was ist relevant?
Über die doppelte Wesentlichkeitsformel (Geschäftsrelevanz und Auswirkungen auf Umwelt, Mitarbeiter und Gesellschaft) wurde viel diskutiert. Am klarsten herausgearbeitet wurde sie von Prof. Dr. Peter Kajüter (Danke an die Universität Münster!).

Sie bleibt in der Umsetzung allerdings das größte Problem – es sei denn, man negiert sie einfach (was auch geht, wie erste Erklärungen zeigen). Nimmt man sie ernst, müssen sich Unternehmen, die beispielsweise schon länger nach den Leitlinien der Global Reporting Initiative berichten, von so manchem wesentlichen Aspekt verabschieden ­– weil er zwar mit Auswirkungen auf Umwelt, Mitarbeiter oder Gesellschaft verbunden, aber für den Geschäftsverlauf nicht wesentlich ist. Kein Wunder, dass viele bei der Veröffentlichung des bewährten Nachhaltigkeitsberichts für ihre Stakeholder bleiben und die nichtfinanzielle Erklärung gesondert davon machen.

Risiken: Was ist wirklich schwerwiegend?
Dazu gibt es wahrscheinlich am meisten Diskussionen, da die nichtfinanziellen Erklärungen derzeit sehr eng zusammen mit dem Accounting erstellt werden. Vergessen wird dabei, dass bereits das Bilanzrechtsreformgesetz von 2004 eine Berücksichtigung nichtfinanzieller Risiken nahelegte, die dann aber aufgrund des kurzen Fristrahmens nie gegriffen hat.

Ganz ähnlich ist es heute. Mit Frist von ein bis zwei Jahren sind nur ganz wenige soziale oder ökologische Auswirkungen für die Unternehmen mit einem echten Risiko behaftet. Hier scheint die Verlängerung des Prognose­zeitraums für soziale und ökologische Aspekte die einzige Möglichkeit zu sein, dieses Thema in Unternehmen formal einzufangen. Um keinen Widerspruch mit den Aussagen des Risikomanage­ments zu evozieren sprechen nun viele Unternehmen in der nichtfinanziellen Erklärung von potenziellen Auswirkungen statt von Risiken.

Eine Studie soll Überblick schaffen
Die Nichtfinanzielle Erklärung unter das Regime der – kurzfristig orientierten ­– Lageberichterstattung zu stellen, erweist sich als gravierender Geburtsfehler. Eines allerdings muss man der Entscheidung lassen: die Aufmerksamkeit für das Thema bei Vorständen und Aufsichtsräten ist deutlich gestiegen. Dass die Berichterstattungsprozesse in den Unternehmen dadurch komplexer geworden sind, muss man wohl in Kauf nehmen. Nach der ersten Umsetzungsphase dürfte sich das Dickicht auch lichten.

Aufmerksamkeit für das Thema ist deutlich gestiegen

Wir freuen uns deshalb sehr, mit der Studie zur Umsetzung des CSR-RUG durch das Deutsche Global Compact Netzwerk und econsense beauftragt worden zu sein, hatten wir Ähnliches doch selbst vor. Auf die Ergebnisse sind wir schon sehr gespannt und hoffen, mit diesen auch zu mehr Nachhaltigkeit bei der Umsetzung in den Unternehmen beitragen zu können.